Diskussionsfragen zu Sebastian Tränkle (Berlin): „Metaphernkritik und metaphorische Kritik – Zur Ambivalenz figürlicher Sprache in der Philosophie“

Die Redaktion

Diskussionsfragen zu Sebastian Tränkle (Berlin): „Metaphernkritik und metaphorische Kritik – Zur Ambivalenz figürlicher Sprache in der Philosophie“

Frage: Wie würden Sie das Verhältnis von „Metapher“ und „Begriff“ charakterisieren?

Es kommt natürlich immer darauf an, wie man den Begriff versteht. Ich würde sagen, im Wesentlichen ließe sich von einem metaphorischen Gebrauch von Begriffen sprechen. Sätze können eine metaphorische Qualität haben oder Begriffe auf eine metaphorische Art und Weise eingefärbt sein. Und zentral dafür wäre eben diese Übertragungsfigur, die ich in meinem Beitrag versucht habe in Bezug auf verschiedene Autoren nachzuvollziehen.

Eine ausführlichere Antwort könnte ich in Bezug auf Adorno geben, der von der Kritik eines bestimmten formalistisch verengten Begriffsverständnisses ausgeht, und eine bestimmte, damit zusammenhängende Art des Begriffsgebrauchs kritisiert. Er stellt fest, dass in der Philosophie, aber auch in den Naturwissenschaften, Begriffe häufig nur als eine abstrakte Verweisungseinheit verwendet werden. Dagegen argumentiert er dann ausgehend von Hegels Logik und fordert, dass eine Sichtänderung stattfinden sollte. Demnach sollen nicht nur rein formale Bestimmungen ihren Wert haben, sondern die materiellen, inhaltlichen Bestimmungen in den Vordergrund rücken. Dabei sollen etwa auch metaphorische Verwendungen von Begriffen nicht von vorneherein als unklar oder wertlos beurteilt werden, sondern auf ihre Leistungen und ihren Ausdrucksgehalt hin befragt werden. Insgesamt handelt es sich bei Adorno um eine Sichtweise, die dafür plädiert, Sprache immer ausgehend von ihrem gesellschaftlichen Gebrauch und ihrer gesellschaftlichen Bestimmung zu betrachten. Es handelt sich also um ein relativ komplexes Modell, in dem mehrere Ebenen miteinander korrespondieren.

Frage: Ich wollte gerne auf einen Aspekt zu sprechen kommen, bei dem ich mir nicht ganz sicher bin, ob er ästhetisch ist, oder nicht – er betrifft die Komprimierungsfähigkeit von Metaphern: Es gibt ja die These, dass Metaphern eigentlich komprimierte Theorien sind, ein Beispiel wäre die ganze metaphorische Strömungsmechanik und die Rede von Strom und Welle, wenn Elektrizität beschrieben wird. Es kommt in der Elektrizität natürlich eigentlich keine Flüssigkeit vor, aber das Tolle ist, dass man durch die Rede von Strom und von Welle ganz viele Eigenschaften der Elektrizität komprimieren kann, sowie man in einer Gleichung eine umfassende Theorie komprimieren kann, indem man ein paar Terme kombiniert. Das Problem ist aber, dass ich anderen Leuten natürlich diese Theorie unterjubeln kann, wenn ich diese Metaphern nicht völlig expliziere. Wir wissen vielleicht gar nicht, was wir uns alles einhandeln, wenn wir diese platonische Metapher, dass der Staat ein Tier ist, einfach annehmen und benutzen. Die Metapher hat in dieser Perspektive daher etwas Positives, ihre komprimierende Kraft, aber auch etwas Negatives, ihre Intransparenz. In diesem Negativen liegt natürlich auch das ideologisch Gefährliche an Metaphern.

Da würde ich Ihnen vollkommen zustimmen. Metaphern ließen sich in diesem Sinne nicht nur mit Theorien in Verbindung bringen, sondern auch mit Paratheorien. Blumenberg etwa fasst Metaphern auch als komprimierte Mythen auf und vertritt die These, dass sich fast aus jeder Metapher ein Mythos machen lässt. Diese Frage, was alles in Metaphern steckt und was man anderen unterjubeln könnte, ist ja genau die Frage, welche die Metaphernkritik leitet. Es geht ihr darum, das, was in einer Metapher implizit ist, explizit zu machen und es mit gesellschaftlichen Problemen in Verbindung zu bringen. Und es gibt häufig den Fall, dass ein Metapherngebrauch Implikationen haben kann, welche selbst derjenigen, welche die Metapher gewählt hat, nicht bewusst waren. Die Frage, inwiefern unbewusste Vorannahmen eine Rolle in unserer Bewertung und Beschreibung von Sachverhalten spielen, führt dann auf das Feld der Ideologiekritik.

Frage: Wie verhält sich denn Blumenbergs Redeweise von der Metapher als Mythos zu Adornos Projekt? Eine weitere Frage bezieht sich auf den Begriff der Rhetorik. Adorno betreibt ja in der Negativen Dialektik so eine Art Verteidigung der Rhetorik. Pointiert könnte man vielleicht sagen, bei Blumenberg dienen die Metaphern dem Trost, also z.B. in dem Sinne, lebensweltliche Erfahrungen zu erfassen, allgemeinmenschliche Daseinsmetaphern zu entwickeln, und bei Adorno stünde vielleicht eher der Trotz im Mittelpunkt. Metaphorik als Trotz. Würden Sie dem zustimmen?

Ich fange mal mit den Gemeinsamkeiten von Blumenberg und Adorno an. Ich glaube, Gemeinsamkeit besteht zunächst darin, dass beide die Kritik an einer philosophischen Tradition, die sehr skeptisch gegenüber der Rhetorik ist, teilen. Beide betonen, dass diese Skepsis vielleicht etwas ausschließt, das eigentlich einen essentiellen Wert hat; und beide weisen auf den Widerspruch hin, dass auch diejenigen, die sich rhetorikfeindlich geben, in ihrer Polemik meist auf rhetorische Figuren angewiesen bleiben. Worin unterscheiden sie sich aber? Blumenberg gelangt in der späteren Fortführung seiner Metaphorologie zur Behauptung, dass die Rhetorik gerettet werden muss als eine zentrale Form der menschlichen Selbstbehauptung. Wer nach Blumenberg auf Rhetorik verzichtet, verzichtet eigentlich auf ein essentielles Medium unseres ästhetischen und theoretischen Selbstverständnisses. Während bei Adorno doch das Moment der Kritik mehr im Vordergrund steht und seine Begriffs- und Erkenntniskritik versucht, auch unter Rückgriff auf die Rhetorik, das Problem des Nichtidentischen zu adressieren; verstanden als dasjenige, was in unserer gewöhnlichen begrifflichen Praxis verdrängt wird. Und er macht dann etwas sehr Provokatives, indem er gerade die Disziplin, die immer im Ruf stand, nur überzeugen zu wollen, ohne wirklich auf Wissen abzuzielen, in den Dienst einer Form von Erkenntnis stellt, die das Nichtidentische berücksichtigt. Ich stimme Ihnen zu, dass Blumenbergs Rhetorikverständnis gut unter den Begriff des Trostes gebracht werden kann. Da wo wir keine Antwort geben können, da können wir uns zumindest rhetorisch trösten. Und da würde Adorno sicherlich trotzig einwenden: Nein, wir können schon weitergehende Antworten finden und müssen uns nicht nur trösten lassen.

Frage: Ich würde jetzt doch noch einmal gerne in der Rolle des analytischen Philosophen fragen: Ich glaube natürlich auch, dass Metaphern unverzichtbar sind in der menschlichen Sprache und wahrscheinlich sogar auch eine erkenntnisfördernde, heuristische Funktion haben, aber es scheint mir doch eine Frage des Grades zu sein. Ich denke doch, dass Metaphern, zumindest in philosophischen Texten, immer im Dienste von Klarheit und Verständlichkeit stehen sollten und man sie möglichst sparsam verwenden sollte. Denn mir scheint doch einiges gegen einen überbordenden Metapherngebrauch zu sprechen: Zum einen scheint es deutlich zu sein, dass Metaphern zwar hilfreich sein können, aber häufig auch semantisch undurchsichtig sind. Und obwohl man natürlich auch kritisch mit Metaphern umgehen kann, haben sie dennoch eine starke Suggestivkraft und entziehen sich auch ein Stück weit unserer Kritik, weil sie eben undurchsichtig sind. Nehmen wir einmal eine Metapher wie: Heideggers „Die Sprache ist das Haus des Seins“. Es ist gar nicht klar, wie solch eine Metapher kritisiert werden kann, weil man sie gar nicht richtig versteht. Gleichzeitig bleibt aber eine Suggestivkraft bestehen, die sehr viele neue Gedanken hervorbringt. Das scheint mir doch sehr problematisch zu sein. Meine Position wäre daher: Metaphern, ja, aber nur so sparsam wie möglich. Was meinen Sie dazu?

Ich teile Ihre Ansicht nicht, dass man prinzipiell möglichst sparsam mit Metaphern umgehen sollte. Der Grund dafür liegt darin, dass Sie durch ihren Gebrauch mitunter etwas leisten können, was immer dann wegfällt, wenn Sie darauf verzichten. Es mag aber in der Tat der Fall sein, dass es nicht immer gleich exakt bestimmbar ist, worin diese Leistung besteht. Ich glaube aber, ich teile auch nicht dieses Ideal von Klarheit und Verständlichkeit, das Ihnen vorschwebt. Zumal wenn man Sozialphilosophie betreibt wie ich, merkt man schnell, dass es um Gegenstände geht, die sich einer klaren Definition oft einfach entziehen. Um von schwierigen Ausgangspunkten zu einer umfassenden – und damit dann auch klaren – Darstellung zu gelangen, spielen Metaphern einfach eine zentrale Rolle. Es wäre ja schade, wenn man zu einem wichtigen und komplexen Thema wie der Gesellschaftstheorie, nichts sagen dürfte, nur weil man es nicht in einem definitorischen Satz klar sagen kann. Und selbstverständlich kommt Metapherngebrauch auch in den Naturwissenschaften vor. Das ist insbesondre dann zu beobachten, wenn in neue, spekulative Bereiche vorgedrungen wird, in denen eben noch keine vollständige begriffliche Klarheit herrscht.

Aber wie könnte man denn jetzt ganz konkret kritisch mit Heideggers Metapher von der „Sprache als Haus des Seins“ umgehen?

Ich sehe auch das Problem, dass solche Metaphern sich zunächst ein Stück weit der Kritik entziehen. Zum einen kann man dann versuchen, solche Metaphern grammatisch zu kritisieren, um zu zeigen, dass sie ihrer Struktur nach sinnlos sind. Eine andere, weiterführende Strategie der Kritik bestünde darin, sich genauer anzuschauen, was durch die Metapher alles impliziert wird. So müsste ich mir zum Beispiel zunächst anschauen, was die Metapher des Hauses bei Heidegger impliziert. Man könnte dann sehen, dass die Metapher von der „Sprache als Haus des Seins“ bei Heidegger in einem großen Zusammenhang von Metaphern des Wohnens und der Heimat steht, und sie in Verbindung bringen mit anderen Stellen, wo er etwa über das „heimatlos Werden“ spricht und kulturpessimistische Rückschlüsse zieht. Und über solche semantischen Kontexte, kann ich mir dann kritisch erschließen, was durch die Metapher alles impliziert und an welche kulturpessimistischen Assoziationsfelder hier angeschlossen wird. Metaphernkritik setzt folglich oft gerade an der von Ihnen erwähnten semantischen Undurchsichtigkeit bestimmter Metaphern an. Es gilt, den Gebrauch auch solcher Metaphern zu deuten, sie zu explizieren und zu zeigen, was sie alles suggerieren, ohne es klar und deutlich zu sagen.

Kommentar: Was das Ideal der Klarheit eines Textes angeht, sollte man vielleicht auch im Auge haben, dass auch diese Redeweise von Klarheit und Deutlichkeit, die wir seit Descartes Discours pflegen, selbst eine Metapher ist. Wasser ist klar. Eine Scheibe ist klar. Ein Bild ist deutlich oder verschwommen. Ein Text ist in dieser Hinsicht nichts Optisches. Insofern ist es unklar was eigentlich genau gemeint ist, mit der Klarheit eines Textes.

Ich denke, es handelt sich um eine Art Trade off: Wenn ein Text nur klar und explizit ist, nehmen wir zum Beispiel Moores Text über die Außenwelt, dann wird er lang und unübersichtlich. Während eine Äußerung wie Wittgensteins „Die Bedeutung eines Wortes wird festgelegt durch die Züge im Sprachspiel“ zwar irgendwie kurz ist, aber vielleicht weiß man hier nicht genau, was man mit dem Satz machen soll. Und ich denke, mit so etwas haben wir dauernd zu tun. Entweder müssen wir hin und her blättern, weil die Sätze zu lang sind, und manchmal ist die Formulierung so knapp, dass man nicht ganz weiß, was alles in ihr drinsteckt.