Diskussionsfragen zu Štefan Riegelnik (Zürich): „Unerzählbare Erzählungen erzählen“
Diskussionsfragen zu Štefan Riegelnik (Zürich): „Unerzählbare Erzählungen erzählen“
Frage: Also ihr Argument scheint mir zu lauten, dass letztlich die Erzählung der Skeptiker uns darlegt, dass sie unverständlich ist, weil sie Verständnisbedingungen verletzt. Die Frage ist, muss sich der Skeptiker darauf einlassen? Mir scheint das, was Sie anbieten, eine Lerntheorie oder vielmehr eine intersubjektive Verständlichkeit und ja überhaupt schon eine Welt zwischen Subjekten voraussetzen muss, die ja der Skeptiker bestreitet. Der Skeptiker muss ja eigentlich nur sicherstellen, dass die geäußerten Propositionen Bedeutung haben. Das könnte er glaube ich auch tun ohne sich der Bedeutungstheorie anzuschließen. Müsste jetzt nicht der Antiskeptiker zeigen, dass der Skeptiker zwingend auf diese Semantik angewiesen ist und diese auch irgendwie von vornherein festgelegt ist? Also wenn ich von Davidson höre, dass das, was der Skeptiker dort anbietet oder auch sprachlich nahelegt, nicht funktionieren kann, weil niemand das verstehen kann – dann geht das für mich als methodologischer Solipsismus durch. Da kann ja auch niemand etwas verstehen, wenn es wahr wäre – was ich hier annehme – denn, dann gäbe es ja auch niemanden, also muss es auch keiner verstehen. Also das scheint mir schwierig zu sein, es sei denn es gibt unabhängige Gründe zu zeigen, dass der Skeptiker zwingend diese Geschichte akzeptieren muss.
Wie gehen wir damit um? Die erste Voraussetzung dafür, mit einem Skeptiker umzugehen, ist das man versucht, ihn zu verstehen. Wir müssen also nachfragen, was er eigentlich meint, und dabei merken wir, dass er solipsistisch argumentiert. Wir können den Skeptiker gar nicht verstehen, und deswegen können wir gar nicht auf ihn reagieren. Wie können wir denn auf etwas reagieren, was wir gar nicht verstehen? Das wäre letztlich die Essenz von diesem Argument, wir verstehen den gar nicht, aber wie zeigen wir ihm, dass wir ihn nicht verstehen?
Frage: Bei mir sind doch auch viele Fragezeichen geblieben. Zum Einen, das historische Beispiel mit Descartes, Descartes scheint mir ja nun eigentlich kein Skeptiker zu sein. Er nutzt ja das Zweifeln als methodischen Zweifel, gerade um zu gesicherten Annahmen über die Wirklichkeit zu gelangen. Er hat ein epistemologisches Anliegen und kein ontologisches. Und dann halte ich es auch für problematisch, die skeptische Position anhand eines mathematischen Beispiels zu verdeutlichen. Bei der skeptischen Position, die Sie vorstellen geht es ja um Wirklichkeitsskepsis. Und zumindest in einer wirkmächtigen philosophischen Tradition sind gerade diese mathematischen Beispiele ja notwendig wahr, weil sie formal sind. Das scheint mir dann auch problematisch zu sein.
Ich stimme Ihnen vollkommen zu, Descartes selbst war kein Skeptiker, er führt nur den ironischen Zweifel ein. Ich war dann weiterhin glaube ich sehr undeutlich: Das Wissen von Gegenständen in der empirischen Welt und die notwendigen Wahrheiten der Mathematiker stellen natürlich getrennte Bereiche dar. Aber auch bei den notwendigen Wahrheiten der Mathematiker scheint sich mir die Frage zu stellen, wie diese eigentlich überhaupt verständlich werden können. Nehmen wir an, dass 2+2=5 ist, jetzt ist die Frage für mich, wie verstehen wir denn überhaupt dass 2+2=5 ist? Es scheint so etwas zu geben wie unmögliche Sätze, Sätze, deren Inhalt wir uns nicht vorstellen können. Wenn wir diese Prämisse jetzt annehmen sollen, dann merken wir, dass wir eigentlich gar nicht in der Lage sind, ein Urteil darüber zu bilden, weil wir sie gar nicht verstehen können.
Frage: Ich komme auf einen Satz bei Ihrem Punkt vier zurück. Sie sagen in Zeile 25: „Da aber Descartes die Erzählung formulieren konnte, wir sprachliche Äußerungen verstehen, kann die skeptische Krise, wonach es Gegenstände in der Welt nicht gibt, nicht zutreffen.“ Da wollte ich einen Einwand erheben und fragen wie Sie das meinen. Also wenn wir mit Kant und der Phänomenologie sagen können, dass wir die Dinge an sich weder erkennen noch ihre Existenz behaupten können, wohl aber über ihre Erscheinungen sprechen können, dass die Welt existier,t ist eigentlich kein ontologisches Prädikat sondern gehört eigentlich in den Aussagebereich. Das heißt, dass man die skeptischen Argumente gegen die Existenz der Welt nicht widerlegen kann und man es auch nicht braucht, denn sie gehören in den Aussagebereich, es handelt sich gar nicht um ontologische Beweise. Wie würde man das verstehen? Das Verstehen bezieht sich nicht auf die Realität der Welt an sich, sondern wie sie uns erscheint. Wie würde sich dann das Verstehen gestalten? Wie würde das ihr Argument beeinflussen oder nicht?
Also ich habe ontologisch argumentiert, aber natürlich, wenn wir das skeptische Szenario betrachten, betrifft es unsere Wissensansprüche. Jetzt könnte man natürlich auch sagen, Wissensansprüche sind nur dann wahr, wenn es den Gegenstand gibt, auf den die Erscheinung, oder die Anschauung Bezug beruht. Das Argument wäre, dass die skeptischen Aussagen, auch wenn wir sie auf die Aussage beziehen, als Verstehensbedingungen eine gemeinsame Außenwelt beinhalten. Wir verstehen eine Aussage im intersubjektiven Bereich nur dann, wenn wir ähnlich auf ähnliche Gegenstände reagieren.
Frage: Wenn ich einen Satz verstehe, heißt das doch eigentlich so viel, dass ich die Wahrheitsbedingungen des Satzes angeben kann. Und dass es kein fünfeckiges Quadrat gibt, ist doch eindeutig wahr, und insofern versteh ich den Satz. Auch bei dem Satz „2+2 = 5“ kann ich eindeutig sagen, dass der Satz falsch ist. 2+2 ist nur dann fünf, wenn man den Operator dazuzählt. Also wenn ich Äpfel auf den Tisch lege, geht das nicht. Aber auf der Ebene der Mathematik, wo ich mich hinstelle und sage: „zähl alles zusammen“ da könnte das gehen. Ich glaube, dass es hier durcheinander geht, was eine ontologische Ebene und was eine epistemologische Ebene ist. Man muss ontologisch zwischen der Sprache und der Welt trennen. Und der Skeptiker tut das offenbar nicht, und deswegen verstehen wir den nicht. Aber man kann diese ontologische Unterscheidung auch epistemisch abbilden – ohne die Ontologie dazu zu teilen. Und das ist genau das, was in den Gedankenexperimenten in diesen Verschachtelungen passiert, dass man im Grunde die Ontologie in der Fiktion als epistemische Unterscheidung ansieht, und dann kommen sie sozusagen aus dem skeptischen Universum hinaus. Das können Sie jetzt als performativen Selbstwiderspruch kritisieren aber genau so könnte ich Ihnen entgegnen: „ich verstehe nicht, warum Sie diesen Satz des Skeptikers nicht verstehen“. Dann wäre die Frage, auf welcher Ebene können wir weiterreden?
Mir geht es darum, dass es Argumente gibt, die so funktionieren, dass man feststellt, dass die Bedingungen der Möglichkeit des Verstehens nicht erfüllt sind und deswegen einen bestimmten Satz als unverständlich bezeichnen. Mein Anliegen war es, genauer zu zeigen, wie diese Art Argumente überhaupt funktionieren können. Zum zweiten Punkt: Wenn wir jetzt einfach mal eine Alltagssituation annehmen, und uns vorstellen, dass ein Kind in der Schule „2+2 = 5“ an die Tafel schreibt, dann würden wir ihm sagen, dass das falsch ist und es korrigieren. Und wir haben jetzt so etwas wie einen Begriff der notwendigen Wahrheiten, und die Idee, dass die Verneinung solcher Wahrheiten, unmöglich ist. Ich glaube man muss einfach zugestehen, dass es bestimmte Dinge gibt, die wir verstehen und bestimmte, die wir eben nicht verstehen. Jetzt könnte ich halt klassische Sätze der analytischen Philosophie heranziehen und so was sagen wie „der Bleistift ist mir heute besonders samsa.“ Wir verstehen diese Sätze nicht auch wenn sie grammatikalisch wohlgeformt sind oder aus Wörtern bestehen, die wir im Wörterbuch finden. In gewisser Weise ziehen wir also schon eine Grenze zwischen Verstehen und Nicht-Verstehen und um diese Grenze geht es mir. Es geht jetzt nicht um einzelnen Beispiele, wo wir uns das doch irgendwie vorstellen können oder sagen können, unter bestimmten Bedingungen verstehen wir es doch. Ich möchte einen Weg finden, um prinzipiell zu zeigen, dass wir zu dem Punkt kommen, wo wir uns in Widersprüchen verfangen, wenn wir versuchen, diese Sätze genau auszubuchstabieren und ich denke, dass wir mit solchen Widersprüchen auf einer praktischen Ebene nicht leben wollen.
Frage: Nochmal zu der Verstehensproblematik: Im modernen Externalismus oder überhaupt Externalismus kann man ja auch einen Satz oder eine Äußerung verstehen, ohne dass man eine klare Vorstellung hat, was die Wahrheitsbedingungen sind. Und der Externalismus hat ja eine bestimmte Auffassung darüber, wie das passiert, also wie das garantiert wird, dass man hier klarerweise von Verstehen sprechen kann. Aber man kann das ja auch so hinnehmen, und sagen, das ist ja offensichtlich so, dass wir im Alltag bestimmte Sätze als unverständlich markieren – und der Externalismus daher von vornherein komplett unplausibel ist. Aber wie bekommen sie den Skeptiker dazu, solch eine starke Auffassung von Verstehen zu benutzen? Wir brauchen hier ja eine stärkere Auffassung von Verstehen, weil sonst funktioniert diese Prämissen für die Argumente nicht. Das scheint ja nicht zu klappen, denn diese Argumente funktionieren ja. Die nutzen ja ad absurdum Argumente. Also das kann nicht das Datum sein, was einen dazu bringt, eine wesentlich stärkere Auffassung von Verstehen zu haben.
Meine Frage ist ja genau wie funktionieren diese Argumente überhaupt? Wenn wir annehmen, dass die Prämisse negiert wird, dann müssen wir den Satz verstehen. Würden wir ihn nicht verstehen, könnten wir ihn auch gar nicht als Prämisse für irgendetwas ernst nehmen.
Ja, aber wie gesagt kann man ja einen sehr weiten Verstehensbegriff haben und dann ist das völlig unproblematisch. Die Frage ist, warum sollte ich einen engeren Verstehensbegriff haben?
Aber wenn wir sagen, wir verstehen diese Prämisse jetzt, weil wir einen weiten Verstehensbegriff haben, dann würde das Argument gegen den Skeptiker ja erst recht nicht funktionieren Das Argument gegen den Skeptiker lautet, wenn das stimmt, was du behauptest, dass wir kein Wissen von den Gegenständen haben, dann könntest du das gar nicht formulieren.
Also geht es darum diese Argumente gegen den Skeptiker zu rekonstruieren, und dann landet man eben bei einer sehr unplausiblen sprachphilosophischen Auffassung?
Dann gelangt man eben zu dieser problematischen Auffassung, dass ich eben so tue als ob ich den Satz verstehe, ihn als Prämisse einsetze, aber bei einer näheren Analyse sehen muss, dass ich eigentlich gar nicht verstehe, was ich da als Prämisse genutzt habe.