Abschlussdiskussion des 2. Philosophischen Symposiums in der Villa Vigoni
Abschlussdiskussion des 2. Philosophischen Symposiums in der Villa Vigoni am 15.10.2022
Die Idee des Philosophischen Symposiums war es, dass man ein etwas breiter gefasstes philosophisches Thema von verschiedenen philosophischen Perspektiven aus beleuchtet, und dabei auch unterschiedliche philosophische „Schulen“ ins Gespräch bringt. Ist das mit dem Thema „Gedankenexperiment und Narration“ gelungen? Konnten gerade auch durch den Austausch mit Kolleg:innen, welche andere philosophische Ansätze verfolgen als man selbst, neue Erkenntnisse zu diesem Thema oder darüber hinaus gewonnen werden?
Von allen Teilnehmenden wurde das Format des Symposiums als sehr angenehm empfunden. Die schöne Umgebung und die Abgeschiedenheit des Ortes haben zu konstruktiven und anregenden Diskussionen eingeladen. Alle waren sich einig, dass eine durchgängig wohlmeinende Stimmung herrschte, die es allen Teilnehmenden einfach gemacht hat, sich intensiv in die Diskussionen einzuschalten. Positiv hervorgehoben wurde das Konzept, die Beiträge der Vortragenden allen Teilnehmenden bereits im Vorfeld des Symposiums zukommen zu lassen, und von den Vortragenden in der Folge nur eine kurze Zusammenfassung des Beitrags zu fordern. Das führte dazu, dass tatsächlich kein Vortrag mehr als fünfzehn Minuten in Anspruch nahm, und das Ziel des Symposiums, Philosoph:innen ins Gespräch zu bringen, hervorragend umgesetzt werden konnte.
Angeregt wurde, das Programm etwas zu entzerren, zum Beispiel einen Tag länger einzuplanen. Außerdem wurde der Vorschlag gemacht, einen Nachmittag zu nutzen, um als Gruppe zusammen an einem einschlägigen Gedankenexperiment zu arbeiten oder sich dem „close reading“ eines einschlägigen philosophischen Textes zu widmen. Dadurch könnte der auf Dauer etwas ermüdende „Vortrag-Diskussions-Rhythmus“ etwas aufgebrochen werden und zu bestimmten Themen hätten alle auf den gleichen Wissensstand gebracht werden können.
Inhaltlich wurde angemerkt, dass man das Programm durch beispielhafte Gedankenexperimente aus der Antike und der Frühen Neuzeit hätte ergänzen können. Zur Abgrenzung gegenüber philosophischen Gedankenexperimenten hätte man außerdem über wissenschaftliche Gedankenexperimente sprechen können.
Aus den Diskussionen wurde inhaltlich viel mitgenommen, bspw. dass der Begriff der Intuition problematischer ist als gedacht, zum Beispiel hinsichtlich der Abgrenzung zu Urteilen über Emotionen.
Es wurde positiv wahrgenommen, dass durch die Berührung verschiedener Fachkulturen neue, teils unerwartete Fragen in den Reaktionen auf die Vorträge aufgeworfen wurden. Allerdings könnten hier weitergehend nicht nur verschiedene „Schulen“ sondern auch verschiedene Unterdisziplinen, wie beispielsweise die soziale Erkenntnistheorie und politische Philosophie, ins Gespräch gebracht werden, da dies nicht oft genug passiert. Zwar wurde immer wechselseitig Feedback zu den Vorträgen geäußert, es könnte aber außerdem konkreter gefragt werden, welchen Mehrwert es eigentlich hat, aus verschiedenen Perspektiven auf eine Frage zu schauen.
Hinsichtlich der vorausgehenden Lektüre der Beiträge anderer Teilnehmender wurde vorgeschlagen, eine Kommentarfunktion einzubringen. Beispielsweise könnten Fragen, die schon beim Lesen aufkommen, im Voraus mitgeteilt werden, um bei der Vorbereitung auf die Diskussionen zu helfen. Die blinden Flecken einer Analyse würden so deutlicher. Andererseits sollte bei den Vorgaben für die Vorbereitung bedacht werden, dass sie nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen sollte.
Bezüglich des Themas der Tagung fiel auf, dass das Feld der Narration weniger präsent war als erwartet. Leider lag dies auch daran, dass diejenigen, die über die Philosophie der Literatur gesprochen hätten, absagen mussten. So war der Fokus eindeutig auf den Gedankenexperimenten und ihrer epistemischen Funktion. Die Frage nach den philosophischen Erkenntnissen, die die Literatur beitragen kann, nahm weniger Raum ein. Es war aber wertvoll zu sehen, wie kleinschrittig Gedankenexperimente analysiert werden können, und wie fruchtbar so eine Analyse für die eigene philosophische Arbeit werden kann.
Auch die Diskussion über die Standortbestimmung der akademischen Philosophie und der Philosophie in der Öffentlichkeit wurde als wichtig wahrgenommen. Erfahrungsberichte Einzelner, die sich an ihren Universitäten schon für diese Thematik engagiert haben, hätten die Diskussion noch etwas konkreter machen können. Maßnahmen und mögliche Formate für einen ersten Schritt in die Öffentlichkeit könnten vorgestellt werden, sodass von den Erfahrungen anderer gelernt wird.
Bedauern über die Tatsache, dass Gerd Scobel und Rüdiger Safranski absagen mussten, wurde ausgesprochen – sie hätten weniger aus dem akademischen Betrieb und mehr aus dem medialen Kontext heraus sprechen können. Umso dankbarer waren die Teilnehmenden, dass Michael Hampe diese Perspektive aus dem universitären Kontext der Philosophie vorgetragen hat. Man sollte allerdings trotzdem nicht darauf verzichten, auch Personen aus einem anderen medialen Kontext einzuladen, die ihre Wahrnehmung der Philosophie in der Öffentlichkeit aus einer Außenperspektive darlegen könnten. Eine Idee, um dem Schwerpunkt „Philosophie in der Öffentlichkeit“ mehr Raum zu gewähren, wäre es, an jedem Abend der Tagung einen eigenen Programmpunkt zu gestalten, an dem verschiedene Gäste eingeladen würden. Damit könnte auch das Problem umgangen werden, dass andere Diskussionen für die Beitragenden aus der Außenperspektive nicht relevant sein könnten.
Es wurde weiterhin vorgeschlagen, mehr Metareflektion von den Vortragenden einzufordern, indem beispielsweise gefragt wird, warum sie eine bestimmte Methodik in ihrer Analyse anwenden. Was versprechen sie sich von ihrem Ansatz? Warum denken sie auf diese Weise über Gedankenexperimente oder Metaphern nach? So könnten die Ziele, die durch die gewählte Art der Philosophie verfolgt werden, den anderen explizit dargestellt werden. Implizit wurde es zwar mitgedacht, es könnte aber mehr Klarheit schaffen, es von den Autor:innen selber zu hören. Dies könnte zu einer besseren Wahrnehmung und einem tieferen Verständnis der Differenzierung der internen Fachkultur beitragen.
Der Vorschlag wurde gemacht, das klassische Aufeinanderfolgen von Einzelvorträgen mit anschließender Diskussion aufzubrechen. Zwar gab es schon einen eher unkonventionellen Schwerpunkt auf den Diskussionen, es wäre aber auch denkbar, weitere Kleinformate oder Unterformate einzufügen, in denen es mehr Rollen gibt als die der Vortragenden und Diskussionsteilnehmenden. Zum Beispiel könnte es Teilnehmende in einer Beobachtungsrolle geben, die eigene Thesen in ausgearbeiteter Form als Antwort auf einzelne Vorträge einbringen könnten. Die Anzahl der Teilnehmenden wäre dabei allerdings zu bedenken – eine kleinere Gruppe könnte konzentriertere Gespräche führen, während mit mehr Teilnehmenden die Aufteilung in Untergruppen möglich wäre. Es könnte beispielsweise verschiedene Gruppen geben, wobei nicht jeder einen Vortrag vorbereiten muss, sondern verschiedene Aufgaben im Voraus pro Gruppe verteilt werden. Hierfür wäre allerdings auch mehr Zeit nötig.
Trotz der großzügigen Zeit, die den Diskussionen eingeräumt wurde, wurde eingeworfen, dass es in Bezug auf bestimmte Diskussionsfelder zu wenig Möglichkeit für „Rede-Gegenrede“ gab. Die Gespräche waren auf ein allgemeines Thema fokussiert; es hätten noch engere Bereiche ausgesucht werden können, beispielsweise „Intuition/Emotion“, um kontroverse Positionen zu einem bestimmten Punkt zu besprechen. So hätte es Raum für wirklich kleinschrittige Diskussionen gegeben. Man könnte dies ausgestalten, indem eine Kleingruppe kontroverse Positionen bespricht und erst anschließend die Diskussion für die anderen Teilnehmenden geöffnet wird. Möglicherweise könnte so ein größerer Erkenntnisfortschritt erreicht werden.
Zuletzt wurde unterstrichen, dass die unhierarchische Gesprächsatmosphäre positiv wahrgenommen wurde. Müheloser Austausch fand über Generationen und Karrierestufen hinweg statt.