Metaphernkritik und metaphorische Kritik. Zur Ambivalenz figürlicher Sprache in der Philosophie

Sebastian Tränkle

Metaphernkritik und metaphorische Kritik – Zur Ambivalenz figürlicher Sprache in der Philosophie

Sebastian Tränkle

Figürliche, bildliche oder übertragene Redeweisen beschäftigen die Philosophie seit ihren Anfängen. Um sie theoretisch zu erfassen, wurden sie meist unter den Begriff der Rhetorik subsumiert, der immer wieder als ein Gegenbegriff zur Philosophie fungierte. Die Kritik an der Rhetorik kann geradezu konstitutive Funktion für das philosophische Selbstverständnis attestiert werden. Bereits Platon hatte einen mit der Rhetorik assoziierten Sprachgebrauch anlässlich seiner Kritik an den Sophisten für nicht wahrheitsfähig erklärt.1 Vgl.Platon, „Gorgias“. Platon, „Phaidros“. Das Argument lautet: Unter Absehung von den Sachen ist solche Rhetorik allein um die Wirkung der Rede bemüht und hat sich dem Überreden, Überzeugen und Manipulieren verschrieben. Im Phaidros wird zwischen einer philosophischen und einer sophistischen Rhetorik unterschieden. Die allein an Wahrheit interessierte dialogische Rede repräsentiert Sokrates, die Sophisten stehen für das meist politischen Zwecken dienende Überreden. Zentrale philosophische Unterscheidungen wie die von res und verba, von theoretischem Sachbezug und praktischer Manipulation, von eigentlicher buchstäblicher und uneigentlicher übertragener Rede laufen allesamt auf eine Konsequenz hinaus: Figürliche Sprachformen werden in Sonderbereiche wie ›Rhetorik‹ oder späterhin ›Ästhetik‹ abgedrängt, sollen für das erkenntnis- und sprachtheoretische Hauptgeschäft der Philosophie aber keine wesentliche Rolle spielen. Eine »Pathologie der Rhetorik« zieht sich wie ein roter Faden auch durch Philosophien der neuzeitlichen Aufklärung.2 Blumenberg, „Anthropologische Annäherung an Die Aktualität Der Rhetorik“, S. 428 . Sie findet sich etwa bei René Descartes, Thomas Hobbes, John Locke oder Immanuel Kant. Sie alle verbinden das epistemologische Motiv der mangelnden Klarheit mit dem ethischen Motiv der ungebührlichen Erregung von Leidenschaften. Rhetorik stellt sich etwa für Kant als die manipulative Kunst »durch den schönen Schein zu hintergehen« dar,3 Kant, Kritik Der Urteilskraft B216. als illegitime Anwendung poetischer Mittel zu theoretischen oder praktischen Zwecken. Diese Tendenz setzt sich in wichtigen Strömungen der modernen Sprachphilosophie fort. Noch die Kommunikationstheorie von Jürgen Habermas oder der postanalytische Ansatz Robert Brandoms zollen ›rhetorischen‹ Sprachformen kaum Beachtung.4 Vgl. Seel, „Das Potential Der Sprache. Adorno – Habermas – Brandom“, S. 290 ff.

Zu dieser – zumindest in ihrem Hauptstrom verbreiteten – theoretischen Haltung steht die sprachliche Praxis der Philosophie im offenen Widerspruch. In der philosophischen Darstellung werden figürliche, bildliche oder übertragene Redeweisen überall gebraucht, oft stillschweigend. Das gilt nicht minder für ›anti-rhetorisch‹ gestimmte Philosophien. Diesen Widerspruch haben Ansätze registriert, die sich einem in der Philosophiegeschichte mitlaufenden Unterstrom zurechnen lassen. Seit Friedrich Nietzsche eine »Rehabilitierung der Rhetorik« eingeleitet hat,5 Blumenberg, Theorie Der Unbegrifflichkeit, S. 90 . Vgl. Nietzsche, „Darstellung der antiken Rhetorik“, 425. ist er immer deutlicher hervorgetreten. Im 20. Jahrhundert hat das eine ganze Reihe von Kritiken an der philosophischen Rhetorikkritik inspiriert.

Jene Divergenz von theoretischer Reflexion und praktischem Vollzug deutet auf ein keineswegs abwegiges sprachphilosophisches Problem hin, dem ich mich im Folgenden widmen möchte. Ich verhandle dieses Problem unter dem Titel der Metapher. Der veranschlagte philosophische Metaphern-Begriff wird zu explizieren sein. Für einen ersten Zugang genügt es zu akzeptieren, dass er pars pro toto für einen weiteren Bezirk der traditionell als ›uneigentlich‹ oder ›rhetorisch‹ prädizierten Sprachformen einsteht; für übertragene Redeweisen, die sich vom auf eindeutige Bestimmtheit geeichten Sprechen unterscheiden. Überdies lässt sich dieser philosophische Begriff nicht auf die literaturwissenschaftliche Bedeutung einer bloßen Trope oder Stilfigur verengen, sondern ist grundsätzlicher angelegt: als ein Vermittlungsbegriff, der eine Denkform und die ihr entsprechende sprachliche Darstellungsweise meint.6 Locus classicus eines solchen Metaphernbegriffs ist Nietzsche, „Über Wahrheit Und Lüge Im Aussermoralischen Sinne“, S. 879 . Als Vermittlungsbegriff lässt sich ›Metapher‹ insofern verstehen, als ein »coherent metaphorial system of concepts« in einem »corresponding coherent system of metaphorical expressions for those concepts« sprachlich realisiert wird. Lakoff und Johnson, Metaphors We Live By, S. 9 . Weiter unten diskutiere ich, inwiefern die strukturierende Funktion von Metaphern auf drei Ebenen wirksam ist: Denken, Sprechen, Handeln.

Meine dreigliedrige These bezüglich der philosophischen Funktion von Metaphern lautet: Zum ersten ist der Gebrauch von Metaphern in der Philosophie unverzichtbar. Durch ihre Modellfunktion orientieren sie das Denken und die sprachliche Darstellung. Zum zweiten zeigt die Orientierungsfunktion metaphorischen Denkens und Sprechens eine Kehrseite: Ihr wohnt ein Verführungspotential inne. Damit wird, zum dritten, die systematische Unterscheidung beider Funktionen notwendig. Ein philosophisches Verfahren der Metaphernkritik macht die ideologischen Funktionen von Metaphern kenntlich und zeigt, inwiefern sie selbst zum Medium von Kritik – einer metaphorischen Kritik – zu werden vermögen. Ich entfalte die drei Thesen schrittweise, wodurch zuerst die Unverzichtbarkeit (1.), dann die Problematik (2.) und schließlich die Ambivalenz (3.) figürlicher Sprache in der Philosophie hervortritt.7 Die folgenden Überlegungen beruhen auf Tränkle, Nichtidentität Und Unbegrifflichkeit: Philosophische Sprachkritik Nach Adorno Und Blumenberg; vor allem auf dem dritten Teil, ebd. 481–633. Dadurch zeigt sich: nur als kritische Errettung der Rhetorik ist das philosophische Verdikt über sie zu revidieren.8 Die Formulierung geht zurück auf Adorno, der den »Versuch, das rhetorische Moment kritisch zu erretten« unternimmt. Adorno, Negative Dialektik, S. 66 .

1. Die unverzichtbare Metapher

Die Anfänge philosophischer Metapherntheorie liegen bei Aristoteles. Dessen traditionsbildende Definition lautet: Eine Metapher sei »die Übertagung eines Wortes, das [eigentlich] der Name für etwas anderes ist«, wobei die Übertragung auf einer nicht weiter erläuterten Form von Ähnlichkeit basiere.9 Aristoteles, Poetik1457b bzw. 1459a. Dass eine Art von Übertagungsverhältnis zwischen verschieden Ausdrücken konstitutiv für die Metapher ist, darüber sind sich bis heute die meisten Theorien einig. Strittig ist hingegen die Leistungsfähigkeit dieses Vorgangs (und der Staus der involvierten Ähnlichkeit). Nach der herkömmlichen Auffassung der ›bloßen Metapher‹, stellen Metaphern uneigentliche Substitute für eigentliche Ausdrücke dar. Sie hätten bestenfalls eine ornamentale, hervorhebende oder illustrative Funktion für einen unabhängig von der metaphorischen Darstellung bestehenden Aussagegehalt. Häufig aber lenkten sie von diesem eigentlichen Aussagegehalt ab und führten in die Irre. Was gesagt werden soll, lasse sich stets auch unmetaphorisch sagen. Metaphern seien prinzipiell verzichtbar, zumal in der auf klare und eindeutige Aussagen gerichteten Philosophie. Diese Ausrichtung unterscheide sie von der Rhetorik, der es allein um die effektive Wirksamkeit der Rede zu tun sei, unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt.

Gegen diese substitutionstheoretische Auffassung der Metapher richten sich vor allem neuere Ansätze. Darunter zählt die Metaphorologie Hans Blumenbergs. Entwickelt wurde sie als ein Komplement zur philosophischen Spielart der bundesrepublikanischen Begriffsgeschichte nach 1945.10 Deren bekannteste Vertreter sind Hans-Georg Gadamer, Erich Rothacker und Joachim Ritter, der für das Großprojekt Historisches Wörterbuch der Philosophie verantwortlich zeichnete. Das phänomenologisch-hermeneutische Verfahren untersucht Metaphern in der Geistesgeschichte. So hat Blumenberg dem philosophischen Gebrauch von Metaphern des Ausgangs aus der Höhle, der Lesbarkeit der Welt oder des Schiffbruchs mit Zuschauer historisch weit ausgreifende Studien gewidmet.11 Blumenberg, Schiffbruch Mit Zuschauer. Paradigma Einer Daseinsmethapher; Blumenberg, Die Lesbarkeit Der Welt. Obwohl die anfängliche Intention war, die produktive Funktion von Metaphern für den Prozess der Begriffs- und Sprachbildung zu beleuchten, kommt die Metaphorologie zu einem weiterreichenden systematischen Befund. Er lautet: Es gibt Metaphern, die sich nicht in eigentliche Rede überführen lassen, denn sie erfüllen eine eigenständige Funktion. Eben darum erfordern sie eine genuin metaphorologische Interpretation. Diese richtet sich auf die eigensinnige ›Logik‹ von Metaphern und auf die authentischen Funktionen, die sie für das Denken und Sprechen erfüllen. Die Metaphorologie beansprucht, die konstitutive Unverzichtbarkeit eines bestimmten Typus von Metaphern für die sprachliche Praxis der Philosophie zu erhellen. Blumenberg nennt sie »absolute Metaphern«.12 Blumenberg, Paradigmen Zu Einer Metaphorologie, S. 9 f. Den Typus transformationsresistenter Metaphern benennen andere Autoren als »›radikale Metaphern‹ (Ernst Cassirer), root metaphors (Stephen C. Pepper), generative metaphors (Max Black) oder métaphores vives (Paul Ricoeur)«. Konersmann, „Vorwort: Figuratives Wissen“, S. 12 .

Worin gründet nun diese Unverzichtbarkeit? Folgt man Blumenberg, so lässt sich ihr Nachweis anlässlich des Vorkommens solcher sprachlicher Ausdrücke in der Philosophie erbringen, die sich gewöhnlichen Verfahren der Begriffsbestimmung entziehen. Paradigmatisch für einen nicht-definierbaren Ausdruck wäre die Rede von ›der Welt‹. Was wir meinen, wenn wir über ›die Welt‹ sprechen, das ist nicht gleichermaßen eindeutig bestimmbar, wie andere alltäglichere Gegenstände. Man denke zum Beispiel an ein Wiener Schnitzel, das sich problemlos als »ein gebackenes Stück Kalbfleisch« definieren lässt.13 Blumenberg, Theorie Der Unbegrifflichkeit, S. 34 . Dieses triviale Beispiel wählt Blumenberg bewusst. Er möchte darauf hinweisen, dass einer Disziplin, die permanent über Gott und die Welt redet, mit solchen Definitionen wenig geholfen ist. Denn Ausdrücke wie ›die Welt‹ – und sie sind in der Philosophie in der Überzahl – stehen nicht für einfache und eindeutige Sachverhalte ein. Sie meinen komplexe und vieldeutige Zusammenhänge. Am Falle der Welt wird das überdeutlich: Wir sprechen hier über die Totalität, meinen also das Ganze dessen, was man als Mensch erfahren kann.

Wie stellt man solche komplexen Zusammenhänge sprachlich dar? Blumenbergs Antwort lautet: mit Hilfe von Metaphern. Er expliziert das im Anschluss an Überlegungen eines Denkers, der oben durch seine antirhetorische Haltung aufgefallen war. Laut Blumenberg umschreibt die »symbolische Darstellung«, eingeführt von Kant in der Kritik der Urteilskraft (§ 59), die Grundfunktion der (absoluten) Metapher.14 Kant, Kritik Der Urteilskraft B 255f. Vgl. Blumenberg, Paradigmen Zu Einer Metaphorologie, S. 11 ; Blumenberg, Theorie Der Unbegrifflichkeit, S. 53 ff. Kant fragt dort, wie die Begriffe der Vernunft – das sind unter anderem die Ideen der Welt und der Freiheit – dargestellt werden können. Denn anders als etwa empirischen Begriffen, deren allgemeiner Gehalt sich an konkreten Einzelfällen exemplifizieren lässt, kann solchen Begriffen keine sinnliche Anschauung angemessen sein. Wenn Totalitätsbegriffe sich einer ›direkten‹ Bestimmung entziehen, so nötigt das zu einer ›indirekten‹ oder eben: symbolischen Darstellung. Kant beschreibt sie als Übertragung »vermittelst einer Analogie«.15 Kant, Kritik Der Urteilskraft B 257. Sie konkretisiert er anhand von zwei unterschiedlichen Versinnlichungen, welche die Idee des »monarchischen Staats« erfahren habe: Wenn er despotisch regiert werde, sei er als bloße Maschine, als seelenlose Handmühle, wenn er verfassungsmäßig regiert werde, als beseelter Organismus dargestellt worden.16 Kant, Kritik Der Urteilskraft. Dem despotischen Staat und einer Handmühle, die ihm zur Anschauung verhilft, kommt zwar keine gegenständliche Ähnlichkeit zu; wohl aber eine solche der Regel, mit der über sie reflektiert werden kann. Von der Handmühle wird nur ein funktionaler Aspekt auf den Staat übertragen. Eine Funktion, die an der Handmühle abgelesen wurde, erlaubt, sich etwas von ihr völlig Verschiedenes, hier die Funktion eines despotischen Staates, vorzustellen. So lässt sich die allseitige Unterdrückung der Untertanen nach dem unterschiedslosen Zermahlen von Kaffeebohnen modellieren. Werden die Ausdrücke ›Staat‹ und ›Handmühle‹ in ein Verhältnis der Übertragung versetzt, so wird ein Aspekt des Bedeutungsgehalts des einen zum Modell, nach dem wir den anderen verstehen. Ein solches Modell macht den Staat zwar nicht im direkten Sinne Kants begreifbar, aber doch überhaupt erst indirekt erfahrbar. Das Einspringen der Metapher, wenn eine Idee nicht mit einer (eindeutigen) Anschauung erfüllt werden kann, besteht zunächst in der Kompensation einer »logischen Verlegenheit«17 Blumenberg, Paradigmen Zu Einer Metaphorologie, S. 10 . durch Ersatzanschauungen. Damit ist die Grundlage für die Unverzichtbarkeitsbehauptung gelegt.

Bevor sie weiter entwickelt wird, ist der Übertragungsvorgang genauer zu explizieren, um damit die Frage ›Was ist eine Metapher?‹ zu beantworten. Zunächst ist der Gefahr eines Missverständnisses entgegenzutreten. Es wäre unzutreffend, bereits einen Ausdruck wie ›Welt‹ als eine (absolute) Metapher zu bezeichnen. Bei ihm handelt sich vielmehr um eine spezifische Form von Begriff (laut Kant: eine Idee), für die das begriffliche (laut Kant: exemplarische respektive schematische) Verfahren der Darstellung nicht funktioniert und die deshalb das metaphorische (laut Kant: symbolische) Verfahren erforderlich macht. Für den strukturverwandten Begriff der Freiheit hält Blumenberg darum fest, dass er ob seiner (begrifflichen) Unbestimmbarkeit den Gebrauch von Metaphorik impliziert.18 Weil er »zu denen gehört, die absoluter Metaphern bedürftig sind«. Blumenberg, Höhlenausgänge, S. 781 . Die metaphorische Realisierung vollzieht sich demnach stets im Verhältnis zwischen dem Ausdruck für eine Idee (etwa ›die Welt‹) und seiner spezifischen Darstellung durch einen anderen Ausdruck (etwa als Höhle). Insofern ist es zum einen genauer, anstatt von der Metapher, von einem metaphorischen Gebrauch von Begriffen zu sprechen. Zum anderen gewinnt eine Metapher ihre spezifische Bedeutung allein durch den Gebrauch von Ausdrücken in einem Satz.

Diese Einsicht findet sich auch in den zum Teil zeitgleich zur Metaphorologie entwickelten Metapherntheorien von Max Black und Paul Ricœur. Sie teilen die Überzeugung, dass ›die Metapher‹ nicht ein einzelnes Wort, sondern ein Sprachphänomen meint, das sich erst in Sätzen eines bestimmten Typs konstituiert. Folgt man Black, so werden in einem metaphorischen Satz zwei verschiedene Ausdrücke in ein Verhältnis der gegenseitigen Übertragung, der »Interaktion« versetzt.19 Black, „Die Metapher“, S. 70 ff. Davon bildet einer den »Hauptgegenstand« (hier: die Welt), der durch den anderen, durch den »Metaphernfokus« hindurch angeschaut wird (hier: die Höhle). Nur letzterer Pol des metaphorischen Übertragungsverhältnisses wird gewöhnlich verkürzt als ›die Metapher‹ bezeichnet.

Gegenüber gewöhnlichen Sätzen nehmen metaphorische Sätze eine ambivalente Position ein. In rein formaler Hinsicht scheinen sie sich nicht zu unterscheiden, insofern auch hier eine Prädikation vorgenommen wird: wenn zum Beispiel ›der Welt‹ prädiziert wird, sie sei höhlenartig. In bedeutungstheoretischer Hinsicht handelt es sich jedoch um eine ungewöhnliche, laut Ricœur geradezu »impertinente« Prädikation.20 Ricœur, Die Lebendige Metapher VI. Sie verletzt die üblichen semantischen Kriterien, denen die Verwendung eines Prädikats angemessen sein muss. Folglich lässt sich zwischen einem gewöhnlichen und einem metaphorisch erweiterten Urteil unterscheiden. Im gewöhnlichen Urteil stellt die Kopula eine Identitätsbeziehung her und subsumiert ›das Wiener Schnitzel‹ als einen besonderen Fall unter die allgemeine Merkmalseinheit ›Kalbfleisch‹. Im metaphorischen Satz ›Die Welt ist eine Höhle‹ hat sich die Funktion der Kopula verwandelt. Mit Ricœur kann reklamiert werden: »Das metaphorische ›ist‹ bedeutet zugleich ›ist nicht‹ und ›ist wie‹.«21 Ricœur, Die Lebendige Metapher, S. 10 . Darum bezeichnet Ricœur die Kopula als den »›Ort‹ der Metapher«. Also handelt es sich um einen Satz, in dem ›die Welt‹ wie ›eine Höhle‹ verstanden wird (›ist wie‹), ohne zu reklamieren, dass sie eine solche ist (›ist nicht‹). Statt einer Identitätsbeziehung wird durch die Prädikation eine Übertragungsbeziehung zwischen den beiden Ausdrücken hergestellt.

Genauer betrachtet, findet die Übertragung nicht zwischen zwei Ausdrücken allein statt. Die Ausdrücke, die in der metaphorischen Aussage miteinander interagieren, stehen vielmehr für zwei Implikations- und Assoziationssysteme ein. Black fasst sie als Systeme »miteinander assoziierter Gemeinplätze«, als gewohnheitsmäßig etablierten Vorrat an Vorstellungen, die mit einem Ausdruck assoziiert werden.22 Black, „Die Metapher“, S. 72 . Black diskutiert die gegenseitige Übertragung an Hobbes’ Satz: »Der Wolf ist dem Menschen ein Wolf.« Der Hauptgegenstand ›Mensch‹ wird durch den Metaphernfokus ›Wolf‹ hindurch betrachtet, der ihm Eigenschaften aus dem Assoziationssystem ›Wolf‹ überträgt. Andererseits aber selektiert der Ausdruck ›Mensch‹ aus dem Assoziationssystem ›Wolf‹ nur diejenigen Eigenschaften, die auf sein eigenes System übertragbar sind: solche, die ein wolfsartiges Verhalten ausdrücken. Darüberhinaus wird durch die Metapher nicht nur der Mensch zu einem wolfsartigen Wesen erklärt, sondern auch der Wolf vermenschlicht. Black, „Die Metapher“, S. 71 f. Diese wiederum auch von Blumenberg geteilte Einsicht hat weitreichende methodologische Konsequenzen für die metaphorologische Analyse, auf die ich weiter unten zurückkomme. Hier sei vorab festgehalten, dass jede einzelne Metapher im Bezug auf das Assoziationssystem verstanden werden muss, dem sie angehört. So gehört die Darstellung des Staats als beseeltem Körper einer organischen, seine Darstellung als Handmühle einer mechanischen »Hintergrundmetaphorik« an.23 Blumenberg, Paradigmen Zu Einer Metaphorologie, S. 91 . Ich komme im nächsten Abschnitt auf diesen wichtigen Begriff zurück.

Auf Grundlage dieses Verständnisses ist zur Unverzichtbarkeitsbehauptung zurückzukehren. Ist nun verständlich geworden, dass eine Metapher als sprachliche Kompensation einer logischen Verlegenheit fungiert, so ist damit noch nicht hinreichend geklärt, warum solche Kompensation philosophisch unverzichtbar ist. Folgt man Blumenberg, so zeigt Kants symbolische Darstellung, wie sprachlich mit etwas umgegangen werden kann, das nicht begriffen werden kann.24 Daher nennt der spätere Blumenberg solche sprachlichen Formen »Unbegrifflichkeit«. Die Lösung etwa der frühen analytischen Philosophie,25 Vgl. etwa Carnap, „Überwindung Der Metaphysik Durch Logische Analyse Der Sprache“. sich dieser Verlegenheit zu entziehen, indem wir entsprechende Ausdrücke für sinnlos erklären und vermeiden, führt laut Blumenberg in eine philosophische Sackgasse. Schweigegebote hält er schlicht für praktisch unhaltbar,26 »Von allen Ratschlägen, die jemals von Philosophen für ihresgleichen und für andere gegeben worden sind, ist wohl keiner weniger befolgt worden als der letzte Hauptsatz von Wittgensteins ›Tractatus‹«. Blumenberg, Die Verführbarkeit Des Philosophen, S. 197 . Mehrfach betont Blumenberg, dass Wittgensteins spätere Philosophie die praktische Unhaltbarkeit seines frühen Satzes belegt habe. Vgl. Blumenberg, Theorie Der Unbegrifflichkeit, S. 38 . denn das letztlich in lebensweltlicher Relevanz gründende Interesse an den mit diesen Ausdrücken belegten Fragen und das Bedürfnis nach wie auch immer vorläufigen oder spekulativen Antworten lässt sich nicht per Dekret abstellen. Auch mit komplexen und vieldeutigen Sachverhalten ist weiterhin philosophisch umzugehen. Eben einen solchen Umgang ermöglichen Metaphern dank ihrer Modellfunktion: Sie vermögen »lebendige Orientierung« zu geben.27 Blumenberg, Paradigmen Zu Einer Metaphorologie, S. 91 . Die Nähe zu Ricœurs »lebendiger Metapher« beschränkt sich nicht auf die Formulierung. Das Schema von ›lebendigen‹ und ›toten‹ Metaphern geht auf Nietzsches metaphorologischen Urtext zurück: Nietzsche, „Über Wahrheit Und Lüge Im Aussermoralischen Sinne“, S. 881 . Auch der späte Wittgenstein hat die ›lebendige‹ Funktion vor Augen: »Ein gutes Gleichnis erfrischt den Verstand.« Wittgenstein, „Vermischte Bemerkungen“, S. 451 . Diese Orientierungsfunktion von Modellen ist zweifach bestimmt: epistemologisch und ethisch.

Die epistemologische spezifiziert Blumenberg als explorative Funktion. Metaphorischer Begriffsgebrauch vermag bis dato Ungesehenes sichtbar zu machen, so wie die Handmühle das Mahlwerkartige des autoritären Staats. Solcher Sprachgebrauch erschließt mitunter überhaupt erst einen Zugang zur Welt. Die metaphorisch evozierten Vorstellungen leiten dergestalt unser Denken und Sprechen an, geben ihm Richtung und Orientierung. Wenn dabei von einer epistemologischen Funktion die Rede ist, so muss das zugleich eingeschränkt werden: Bestimmt sind Metaphern Blumenberg (und Kant) zufolge gerade nicht durch ihren Sachbezug, sondern durch ihre regulative Funktion: Sie orientieren uns dort, wo Erkenntnis im strengen Sinne nicht möglich ist. Insofern kommt es zu einem Wechsel der Register: An die Stelle eines theoretischen Satzes oder Systems tritt ein »Modell in pragmatischer Funktion«.28 Blumenberg, Paradigmen Zu Einer Metaphorologie, S. 12 . Es ermöglicht, einen zu erschließenden Gegenstand wie den Staat zwar nicht als das zu bestimmen, was er an sich ist, dafür aber in seiner Zweckmäßigkeit und Bedeutung für unseren Gebrauch. Diese Einsicht verschiebt den Fokus von der Frage nach der gegenständlichen Wahrheit der Sprachformen auf jene nach ihrer praktischen Funktion.

Praktisch bestimmt ist die Modellfunktion aber noch in weiterreichendem Sinne: als ethische Orientierungsfunktion. Metaphern helfen Denken und Sprechen nicht nur die Welt aufzuschließen, sie geben ihm auch normative Orientierung. Das zeigt schon Kants Beispiel, das neben der Handmühle als Metapher für den autoritären Staat auch die Gegenmetapher: den Organismus anspricht, der für den verfassungsmäßigen Staat einsteht. Kant ruft damit eine Metaphorik mit langer Tradition in der politischen Philosophie auf, die das Frontispiz von Thomas Hobbes’ Leviathan in das Bild des politischen Körpers fasst. Gerade in Form dualistischer Muster erfüllen Metaphern immer wieder regulative Funktion für politisches Denken, Sprechen und Handeln.

Mit Blumenberg lässt sich die Unverzichtbarkeit von Metaphern unter Verweis auf die zwiefältige pragmatische Orientierungsfunktion – die erkenntnispragmatische wie die ethische – untermauern. Zugleich ist damit über deren jeweilige Wirkung noch nichts gesagt. Vielmehr impliziert die Unverzichtbarkeit eine Form von Angewiesenheit, angesichts derer sich die unverzichtbare zugleich als höchst problematische Metapher erweist.

2. Die problematische Metapher

Angesichts der aufgewiesenen Unverzichtbarkeit der Metapher ist, gegen die philosophische Rhetorikkritik, auf das Recht der Rhetorik zu pochen. Insoweit hat sich die Rehabilitierung der Rhetorik als legitimes Unterfangen erwiesen. Allerdings tritt vor allem an den normativen Implikationen des Metapherngebrauchs auch eine Gefahr zu Tage. Blumenberg spricht nicht nur von der »lebendigen Orientierung« für das Denken, Sprechen und Handeln, sondern auch von deren »tyrannischer Kanalisierung«.29 Blumenberg, „Sprachsituation Und Immanente Poetik“, S. 121 ; vgl. Blumenberg, Paradigmen Zu Einer Metaphorologie, S. 91 f. Folglich kann jene Rehabilitierung nicht unterschiedslos verfahren. Oder anders formuliert: Es gilt, die Legitimität der philosophischen Kritik der Rhetorik hervorzukehren. Die Warnungen vor der Verführungskraft, die seit Platons Antisophistik gegen eine sachferne Rhetorik vorgebracht worden sind, werden dadurch in ihr Recht gesetzt.

Ansatzpunkt ist wiederum der Befund der Unverzichtbarkeit. Die metaphorische Orientierungsfunktion hilft nämlich nicht nur aus einzelnen Fällen der Verlegenheit. Vielmehr wird an der Kompensationsfunktion der absoluten Metapher nur deutlich, was viel weitererreichende Konsequenzen hat: die grundsätzliche Angewiesenheit unseres Denkens und Sprechens auf solche Orientierungsleistungen. Entscheidend dafür ist die Einsicht in die Wirkungskraft dessen, was Blumenberg Hintergrundmetaphorik nennt. Mit der Rede von der Hintergrundmetaphorik wird zwischen einer in Texten und Aussagen manifesten und einer latenten Metaphorik unterschieden – sowie deren Verhältnis bestimmt.30 Vgl. das Verhältnis von latentem »metaphorial system of concepts« und manifesten »metaphorical expressions for those concepts« bei Lakoff und Johnson, Metaphors We Live By, S. 9 . Einzelne manifeste Metaphern können auf latente Metaphernkomplexe verweisen, jene oben eingeführten hintergründigen Assoziationssysteme, denen sie angehören. Allerdings geht Blumenberg noch weiter: Hintergrundmetaphorik kann auch dort im Spiel sein, wo überhaupt keine metaphorischen, sondern nur »terminologische Aussagen auftreten, die aber ohne Hinblick auf eine Leitvorstellung, an der sie induziert und ›abgelesen‹ sind, in ihrer umschließenden Sinneinheit gar nicht verstanden werden können.«31 Blumenberg, Paradigmen Zu Einer Metaphorologie, S. 91 .

Die starke Behauptung implizit strukturierend wirksamer Leitvorstellungen belegt Blumenberg an zahllosen Beispielen. Sie lässt sich etwa an der Modellierung der Welt als Höhle erhärten, die einzelnen Aussagen oder ganzen Theorien wie der Platonischen Erkenntnistheorie einen Bezugsrahmen gibt. In diesem Sinne ist der Platonische Wahrheitsbegriff in seiner Systematik am Höhlenmodell ›abgelesen‹. Das Modell weist der Wahrheit (den Ideen) einen transzendenten Ort zu und der Erkenntnis den Weg aufwärts, der zu ihr hinführt. Schließlich wird, der normativ aufgeladenen Leitdifferenz des Modells (hell/dunkel) entsprechend, der Wahrheit mit dem Licht ein eigene metaphorische Komponente zugewiesen.32 Die Metaphorik vom Licht der Wahrheit wird durch die Philosophiegeschichte hindurch auch unabhängig von jedem ausdrücklichen Bezug auf das Höhlenszenario wirksam bleiben. Auch sie hat Hans Blumenberg ausführlich untersucht: Blumenberg, „Licht Als Metapher Der Wahrheit. Im Vorfeld Der Philosophischen Begriffsbildung“. Folgt man Blumenbergs Deutung, so wirkt das »implikative Modell« der Höhle bei Platon ausdrücklich,33 Blumenberg, Paradigmen Zu Einer Metaphorologie, S. 20 . oder allein vermittels metaphorischer Derivate wie des Lichtes, muss aber letztlich nicht durchweg in der sprachlichen Darstellung auftreten, um auf sie gestaltend einwirken zu können.34 Blumenberg erwähnt Platons Dialog Sophistes: Nur die Hypothese, dass das nicht erwähnte Höhlenszenario dem Verhalten des Sophisten auch hier zugrunde gelegt ist, »›erklärt‹ überhaupt erst die Möglichkeit einer solchen Erscheinung«. Blumenberg, Paradigmen Zu Einer Metaphorologie, S. 114 .

Mit der Hintergrundmetaphorik wird die Orientierungsfunktion von Metaphern fundamentaler angelegt: Sie wird in der »Substruktur des Denkens« lokalisiert, das heißt in der Sphäre der »tragenden Gewißheiten, Vermutungen, Wertungen«.35 Blumenberg, Paradigmen Zu Einer Metaphorologie 13 bzw. 25. Das hat Konsequenzen für die Wirkungskraft der Orientierungsleistung. Mit Blick auf ein tradiertes Reservoir an Bildern und Modellvorstellungen, aus dem die metaphorische Praxis jeweils schöpft, hält Blumenberg fest: Es »steht uns bei unserer Weltsicht gleichsam ›im Rücken‹«; so werde unser Denken vorbestimmt und »›kanalisiert‹ in dem, was überhaupt sich uns zu zeigen vermag und was wir in Erfahrung bringen können«.36 Blumenberg, Paradigmen Zu Einer Metaphorologie, S. 91 f.

Die Annahme einer allem denkenden, sprechenden und handelnden Vollzug immer schon vorausgesetzten umschließenden Sinneinheit knüpft an eine sprachphilosophische Traditionslinie an, die in Abgrenzung zur logisch-analytischen als pragmatisch-hermeneutische Spielart des linguistic turn beschrieben wurde.37 Habermas, „Hermeneutische Und Analytische Philosophie. Zwei Komplementäre Spielarten Der Linguistischen Wende“. In dieser Reihe stehen auch die Spätphilosophien Ludwig Wittgensteins und Martin Heideggers. Beide sehen unser Weltverhältnis von einem sprachlichen »Sinnapriori« grundiert:38 Habermas, „Hermeneutische Und Analytische Philosophie. Zwei Komplementäre Spielarten Der Linguistischen Wende“, S. 84 f. Was jenem die Pluralität der Sprachspielgrammatiken, ist diesem das je epochenspezifisch geltende Seinsverständnis; beide sprechen vom »Weltbild«.39 Wittgenstein, Über Gewissheit, S. 139 f. Heidegger, „Die Zeit Des Weltbildes“. Folgt man der Einschätzung von Jürgen Habermas, so wird mit der Grundannahme eines Sinnaprioris die sprachliche Funktion der Welterschließung gegenüber »der kognitiven Funktion der Tatsachendarstellung« privilegiert.40 Habermas, „Hermeneutische Und Analytische Philosophie. Zwei Komplementäre Spielarten Der Linguistischen Wende“, S. 87 . Das hat weitreichende Folgen, denn ein solches Sinnapriori bildet den »Hintergrund eines Weltverständnisses, das, ohne selber wahr oder falsch sein zu können, die Maßstäbe für wahre oder falsche Aussagen im voraus festlegt«.41 Habermas, „Hermeneutische Und Analytische Philosophie. Zwei Komplementäre Spielarten Der Linguistischen Wende“, S. 86 . Insofern dieses Sinnapriori zwar historisch und kulturell variiert, zugleich aber einen je unhintergehbaren Horizont des Verstehens konstituiert, kann ihm also eine kanalisierende Funktion für das Denken, Sprechen und Handeln im Sinne Blumenbergs zugeschrieben werden. Die Metaphorologie scheint diese Annahme denn auch zu teilen und insofern zu spezifizieren, als sie die Verhexungen des Verstandes vor allem auf die Hintergrundmetaphorik zurückführt. Deren Wirkung auf Form und Gehalt des Denkens und Sprechens erscheint als geradezu determinierend. Die Annahme einer in diesem Sinne tyrannischen Kanalisierung scheint die Wahrheit über die orientierende Funktion der Metapher auszusprechen.

Nimmt man die Unhintergehbarkeitshypothese hin, so folgt daraus die prinzipielle Unkritisierbarkeit der Hintergrundmetaphorik. Es ergäbe dann keinen Sinn von angemessener und unangemessener Metaphorik zu sprechen. Aber ist diese Konsequenz wirklich zwingend? Ich möchte die Frage entschieden verneinen. Dass Metaphorik insgesamt unverzichtbar und insofern unterhintergehbar ist, heißt nicht, dass eine bestimmte Metaphorik, ein bestimmter Gebrauch und ein bestimmtes (Miss-)Verstehen von Metaphern nicht kritisierbar sind. Um das einzusehen, lohnt es sich, genauer zu betrachten, wie es zur von Blumenberg beschriebenen tyrannischen Kanalisierung kommt.

Zunächst handelt es sich um einen deskriptiven Befund: Die metaphorologische Arbeit stößt auf Fälle, in denen die Hintergrundmetaphorik ein Korsett ausmacht, das invariant der konkreten sprachlichen Praxis vorausgesetzt ist. Die »im Metaphorischen wurzelnde Sichtlenkung«42 Blumenberg, Paradigmen Zu Einer Metaphorologie, S. 99 . wird unten insofern noch von Interesse sein, als sie als eine potenziell ideologische Funktion verstandenen werden kann. Hier sei zunächst betont, dass die Korsett-Funktion keine invariante ist, sondern Resultat eines Prozesses: Eine Hintergrundmetaphorik kann sich durch einen eingeschliffenen, gewohnheitsmäßigen Vollzug jederzeit zu einem starren Muster verfestigen. Das lässt sich als einen Prozess der sprachlichen, oder genauer: metaphorischen Verdinglichung begreifen: Das Einwirken der Metaphorik wird im sprachlichen Vollzug ebenso vergessen wie ihre Metaphorizität nicht mehr mitvollzogen wird.43 Verdinglichung kann als ein in bestimmten Vollzügen systematisch angelegtes Vergessen verstanden werden. Die auf Hegel und Marx zurückgehende sozialkritische Rede von der ›Verdinglichung‹ meint ein durch eine bestimmte gesellschaftliche Praxis bedingtes Vergessen ihrer historisch-sozialen Konstitutionsbedingungen. Solches Vergessen provoziert ein Missverstehen: Eine übertragene Anschauung, die einen unbegriffenen Gegenstand zur Darstellung bringt, wird als seine realistische Beschreibung, Erklärung oder Abbildung angesehen. Eine Metaphorik wird realistisch, nicht metaphorisch verstanden. Dieses systematische Missverstehen nennt Blumenberg »Metaphernrealismus«.44 Blumenberg, „Beobachtungen an Metaphern“, S. 205 .

Tyrannische Kanalisierung heißt demnach: Wir sehen nur noch ein Bild, aber nichts mehr durch das Bild hindurch, das dann den Zugang zur Realität verschließt anstatt sie aufzuschließen. So geläufig solches kategoriale Missverstehen in der gewöhnlichen wie in der philosophischen Sprachpraxis sein mag, so wenig stellt die tyrannische Kanalisierung die einzige Art und Weise dar, wie Metaphern unser Denken und Sprechen strukturieren. Auch Fälle, in denen sie Ungesehenes sichtbar machen, weist die Metaphorologie am historischen Material auf. Diese Leistung meint die Rede von der lebendigen Orientierung. Die Kanalisierung durch tote Metaphern ist also nicht ganze Wahrheit über die metaphorische Orientierungsfunktion, die sich vielmehr als ambivalent erweist: Sie kann der Erschließung und der Verschließung der Wirklichkeit gleichermaßen dienen, lebendige Orientierung oder tyrannischer Kanalisierung sein.

Mit der am historischen Material entdeckten Ambivalenz der Modellfunktion stellt sich die Frage, wie erschließende von verschließenden Metapherngebräuchen unterschieden werden können. Es ist nicht einzusehen, warum gerade philosophische Kritik nicht fähig sein sollte, zu leisten, was im alltäglichen Vollzug schwerfallen mag, nämlich auf die Verfasstheit der Hintergrundmetaphorik zu reflektieren, ihre Angemessenheit in Frage zu stellen und womöglich in ihrer eigenen Darstellung auf bestimmte Metaphoriken zu verzichten. Wir müssen einen funktionierenden Staat nicht als Organismus verstehen, nur weil das über Jahrhunderte hinweg ein wirkungskräftiges Modell war und zum Teil immer noch ist. Wie also lässt sich die Ambivalenz in eine stringente Unterscheidung zweier gegenläufiger Funktionen metaphorischer Orientierung überführen? Die Antwort liegt in einem Verfahren der philosophischen Metaphernkritik.

3. Die ambivalente Metapher

Blumenbergs Metaphorologie bietet einerseits Anknüpfungspunkte für eine »philosophische Metaphernkritik«.45 Blumenberg, Quellen, Ströme, Eisberge, S. 167 . Andererseits stößt das Verfahren angesichts der Notwendigkeit einer stringenten Unterscheidung an seine Grenzen. Wie andere primär auf die innersprachliche Funktion von Metaphern gerichtete philosophische Ansätze, vermag die geistesgeschichtlich orientierte Metaphorologie der von ihr als entscheidend erkannten praktischen Dimension der Metapher nicht vollauf gerecht zu werden. Dafür muss ein immanent – eben metaphorologisch – ansetzendes Verfahren fähig zur Selbstüberschreitung sein und eine Perspektive transzendenter Deutung eröffnen. Erst dann wird die praktische Dimension, und zwar in zweifachem Sinne, erschließbar: die praktische Bestimmtheit der metaphorischen Formen und Vorstellungen einerseits, ihre praktische, das heißt auch praxisleitende und handlungsinduzierende Funktion andererseits. Zwar sucht Blumenberg, vor allem in der späteren Erweiterung und Neuausrichtung seines Verfahrens, beides durch die Deutung der metaphorologischen Befunde im Rahmen einer Kulturanthropologie einzuholen.46 Das Projekt heißt dann nicht mehr »Metaphorologie«, sondern »Theorie der Unbegrifflichkeit«. Vgl. Blumenberg, „Ausblick Auf Eine Theorie Der Unbegrifflichkeit“. Doch muss, ohne das hier auszuführen zu können, das Scheitern dieses Versuchs konstatiert werden: Weil sein Deutungsrahmen, die Bestimmung menschlicher Praxis als wesentlich rhetorischer,47 Vgl. Blumenberg, „Anthropologische Annäherung an Die Aktualität Der Rhetorik“. Die Kritik führe ich aus in Tränkle, Nichtidentität Und Unbegrifflichkeit: Philosophische Sprachkritik Nach Adorno Und Blumenberg, S. 490–494 . zu abstrakt bleibt, gelingt es dem Verfahren nicht, die gebotene Unterscheidungsfähigkeit zu erlangen. Um eine stringente Unterscheidung zwischen lebendiger Orientierung und tyrannischer Kanalisierung zu leisten, muss vielmehr nach der konkreten historisch-sozialen Bestimmtheit und gesellschaftspraktischen Funktion der jeweiligen Metaphorik gefragt werden. Oder anders formuliert: die metaphorologische muss in eine ideologiekritische Perspektive verwandelt werden.48 Vgl. Tränkle, „Ideologiekritik Und Metaphorologie. Elemente Einer Philosophischen Sprachkritik Bei Adorno Und Blumenberg“. Aus dem Blickwinkel ihrer historisch-sozialen Form- und Funktionsbestimmtheit erweisen sich metaphorische Vorstellungen mitunter als Medium ideologischer Denk- und Verkehrsformen.

Um das zu erhärten, wende ich mich Adorno zu, der nicht nur seine philosophische Sprachkritik in einem gesellschaftstheoretischen Deutungsrahmen entfaltet, sondern überdies eine Unterscheidung im gesuchten Sinne trifft. Entsprechend äußert er sich gegenüber den Hörern seiner Vorlesung über Philosophische Terminologie: Es sei zu zeigen, »wo ein Wort durch seine irgendwie metaphorische Bedeutung den Gedanken verfälscht oder dazu führen kann, etwas zu erschleichen, was der Gedanke nicht wirklich einlösen kann; und wo im Gegenteil gerade dieses Mehr selber das ausdrückt, was Sie an der Sache ausdrücken wollen.«49 Adorno, Philosophische Terminologie, Bd. 1, S. 69 . Damit führt Adorno eine Unterscheidung ein, die der von tyrannischer Kanalisierung und lebendiger Orientierung ähnelt. Doch beruht sie auf anderen epistemologischen wie gesellschaftstheoretischen Voraussetzungen und erweist sich eben darum als stringenter. Die von mir geteilte und hier zu entwickelnde Grundüberzeugung lautet: Dass wir nicht ohne Metaphern über die Sache – etwa die Gesellschaft – sprechen können, heißt folglich nicht, dass die jeweiligen Metaphern nicht in sehr unterschiedlichem Maße angemessen sein können. Um das zu zeigen, verfahre ich, die Formulierung aus meinem Titel aufgreifend, in zwei Zügen: Zuerst widme ich mich einer ideologiekritisch verfahrenden Metaphernkritik, die unangemessene Metaphorik aufspürt und deutet. Sodann wende ich mich der Frage zu, was eine angemessene Metaphorik wäre und buchstabiere eine Antwort aus: Sie tritt in Gestalt metaphorischer Kritik auf, das heißt als ein selbstreflektierter Metapherngebrauch, der die gesellschaftliche Wirklichkeit kritisch aufschließt.

Metaphernkritik

Das Programm einer ideologiekritischen Sprach- und Metaphernkritik lässt sich anhand von Adornos Streitschrift über den Jargon der Eigentlichkeit entfalten. Mit dem Titel bezeichnet Adorno eine Sprachformation der deutschen Nachkriegszeit, deren Wurzeln bis in die 1920er Jahre zurückreichen, unter anderem in den neureligiösen Kreis um Martin Buber und den ästhetizistisch-elitären Kreis um Stephan George. Die Schrift widmet sich vor allem den Spätformen des Jargons in den 1950er und frühen 60er Jahren, in denen Ideologeme des Nationalsozialismus ein Nachleben führen. Als deren Protagonisten identifiziert sie neben dem späten Martin Heidegger dessen Epigonen, etwa Otto Friedrich Bollnow. Als Jargon statt neutraler als Idiom oder Stil wird diese Sprachformation ob ihrer ideologischen Aufladung qualifiziert. Die leitende These lautet: Das Ideologische nistet hier weniger in dem, was gesagt wird, als darin, wie etwas gesagt wird.50 Adorno, „Jargon Der Eigentlichkeit“, S. 520, 525 .

Der methodische Fokus auf Sprachkritik wird mit Blick auf diesen Gegenstand legitimiert. So nennt ein Nachtrag das Vorgehen der Schrift »sprachphysiognomisch«.51 Adorno, „Jargon Der Eigentlichkeit“, S. 524 . Die Schrift war als weiteres Kapitel der Negativen Dialektik vorgesehen, wurde dann aber ausgelagert und separat publiziert. Das heißt: Kritik hat neben dem begrifflichen Gehalt die sprachliche Gestalt zu durchleuchten, in der dieser Gehalt zum mehr oder minder angemessen Ausdruck kommt. Neben der logischen Stringenz einer Argumentation ist die rhetorische Kraft der Darstellungsformen zu analysieren. Die Bewegung solcher Sprachkritik stellt Adorno als Dreischritt dar: Was an der »schlechten Sprachgestalt ästhetisch wahrgenommen« wurde, müsse »soziologisch gedeutet« werden, wodurch die »Unwahrheit des mit ihr gesetzten Gehalts« offenbar würde.52Adorno, „Jargon Der Eigentlichkeit“, S. 524 . Bei dessen Beschreibung, Deutung und Beurteilung handelt es sich um die Momente einer ideologiekritischen Bewegung: Sie geht von der physiognomischen Beschreibung der Sprachgestalt in die zuerst immanente, dann transzendente Deutung der beschriebenen Sprachphänomene und schließlich zu ihrer Bewertung über. Im Folgenden vollziehe ich die drei Schritte an konkreten Gegenständen nach.

(1.) Ansatzpunkt der Sprachkritik sind Einzelphänomene. Zunächst ist beschreibend einzuholen, was an der Sprache wahrgenommen wird. Diese Form der Wahrnehmung ist insofern ästhetisch, als sie sich primär auf die sinnlich-materiale Gestaltung der sprachlichen Darstellung richtet. Sie fragt nach der Formung und Färbung, die der sprachliche Ausdruck annimmt. Adorno macht das an unterschiedlichen Aspekten des Jargons fest, etwa an der Auswahl von »Edelsubstantiven« wie »Entscheidung«, »Auftrag«, »Anruf«, »Begegnung«, »echtes Gespräch« oder »Bindung«.53 Adorno, „Jargon Der Eigentlichkeit“, S. 417 . Im Kontext ihres Gebrauchs nehmen diese an sich oft trivialen Ausdrücke eine Klangfarbe an, die den Schein von in theologischem Sinne Höherem evoziert. Dadurch erzeugt der Jargon eine Art von Pseudo-Transzendenz: den Schein eines Sakralen, das jedoch ohne sakralen Gehalt – etwa ohne dogmatischen Glaubensinhalt – auskommt. Außerdem führt die Frage nach der Färbung des Ausdrucks auf den Gebrauch von Metaphorik. Metaphern der Heimat, des Bodens und der Erde sind in den Erzeugnissen des Jargons omnipräsent.

(2.) Solche am Text detektierte Metaphorik ist zunächst immanent, oder eben: metaphorologisch zu deuten. Immanente Deutung heißt, einzelne Metaphern auf Zusammenhänge zu beziehen, die für sie bedeutungskonstitutiv sind. Zwei solche Kontextualisierungen sind zu leisten. Die erste bezieht die einzelnen metaphorischen Ausdrücke auf das Assoziations- und Implikationssystem, dem sie angehören. So erweisen sich die Vorstellungen der Heimat, des Bodens und der Erde als eng verwandt; sie fungieren in einem Assoziationssystem mit einer langen Bedeutungsgeschichte, auf das ich gleich zurückkomme. Die zweite Kontextualisierung macht einzelne Metaphern in ihrem konkreten Darstellungszusammenhang verständlich, etwa im Rahmen eines philosophischen Textes oder gar eines ganzes Denkansatzes. Dabei müssen sie nach ihren systematischen Funktionen für die begrifflichen Konfigurationen, etwa die theoretischen wie ethischen Horizonte einer Philosophie befragt werden.

Die Metapher des Bodens findet sich unter anderem in der Philosophie Heideggers, die zur Illustration dienen soll. Sie tritt sowohl in der frühen Existenzialontologie als auch in der Spätphilosophie nach der ›Kehre‹ zur Seinsgeschichte auf. Adorno arbeitet zwei unterschiedliche Funktionen heraus, die er dann in ihrem Zusammenwirken zu erfassen sucht: Während die Metapher zunächst im streng ontologischen Register fungiert, dient sie zugleich einer normativen Ausrichtung dieser Philosophie. Diese Analyse kann ich hier nicht ausführen.54 Das leistet das 8. Kapitel in Tränkle, Nichtidentität Und Unbegrifflichkeit: Philosophische Sprachkritik Nach Adorno Und Blumenberg, S. 659–619 . Ich will trotzdem ihre Ergebnisse umreißen und mit dem ontologischen Register beginnen: Laut Adorno ist Heideggers Zentralbegriff ›Sein‹ abstrakt, unbestimmt und letztlich leer. Seine Bedeutsamkeit gewinnt er folglich allein aus dem Kontext seiner Darstellung, wobei er auf Metaphern angewiesen ist. Die Metapher des Bodens erfüllt zunächst eine topographische Funktion für Heideggers Ursprungsphilosophie: Sie gibt die Systemstelle der »in ihrer Bodenständigkeit verhüllten Seinsstrukturen« an.55 Heidegger, Sein Und Zeit, S. 36 . Metaphern der topographischen Verortung (wie Bodenständigkeit, Ursprung, Grund) und der Charakterisierung eines entsprechenden Verhaltens (verbergen/entbergen) verleihen dem Ausdruck zwar keine Bedeutung. Sie sagen im strengen Sinne nichts über das Sein aus; aber sie zeigen etwas von ihm.56 Im Anschluss an Wittgenstein lässt sich diese Unterscheidung treffen: Metaphorik »zeigt etwas rhetorisch prägnant, was logisch präzise nicht gesagt werden kann.« Gabriel, „Kategoriale Unterscheidungen Und ›absolute Metaphern‹. Zur Systematischen Bedeutung von Begriffsgeschichte Und Metaphorologie“, S. 79 . Dadurch geben sie dem Ausdruck ›Sein‹ eine vage Bedeutsamkeit. Seine metaphorische Darstellung verleiht dem Begriff eine Art von suggestiver Evidenz. Oder mit einem Begriff von Günther Anders gesprochen: Durch die metaphorische Vorstellung der Bodenständigkeit nimmt der gänzliche abstrakte Begriff des Seins eine Schein-Konkretheit an.57 Vgl. Anders, „Die Schein-Konkretheit von Heideggers Philosophie“.

Neben der systematischen haben metaphorische Leitvorstellungen eine narrative Funktion. Sie können, wie auch Blumenberg gezeigt hat, als kondensierte Miniatur-Mythen verstanden werden.58 Vgl. Blumenberg, Paradigmen Zu Einer Metaphorologie, S. 114 ; Blumenberg, „Ausblick Auf Eine Theorie Der Unbegrifflichkeit“, S. 73 . Was sich in einem Bild oder einer Modellvorstellung verdichtet, das lässt sich jederzeit in einer narrativen Struktur auseinanderfalten. Entsprechend erlaubt der Bezug auf Metaphorik, Geschichten über Herkunft, aktuelle Anlage und zukünftige Möglichkeiten des Seins zu erzählen. Eine solche Geschichte des Seins entwirft bekanntlich Heideggers Spätphilosophie.

Entscheidend für die Seinsgeschichte ist ihre Strukturierung durch eine dualistische Metaphorik: Der ursprünglichen Bodenständigkeit (des Seins) wird ein gegenwärtiger Zustand der Bodenlosigkeit kontrastiert. Ausdrücklich wird das dualistische Schema bereits in Sein und Zeit zur Disqualifizierung des »Geredes« und »Geschreibes« abgerufen.59 Heidegger, Sein Und Zeit, S. 168 f. Sie gelten Heidegger als Artikulationsformen eines bodenlosen Geistes, der das ›Man‹, den ›Betrieb‹ und die ›Öffentlichkeit‹, kurzum die moderne Gesellschaft auszeichne. Es handele sich dabei um »Seinsarten« eines »entwurzelten Daseinsverständnisses«, das Heidegger später als »Seinsvergessenheit« fassen wird.60 Heidegger, Sein Und Zeit, S. 169 f. bzw. Heidegger, Über den Humanismus, S. 31 . Der Dualismus von bodenständig und bodenlos, von verwurzelt und entwurzelt, der die Alternative von Sein und Seinsvergessenheit zur Anschauung bringt, ist normativ aufgeladen. Die topographischen Eigenschaften des Seins verschränken sich via metaphorischer Darstellung mit den ethischen Leitbildern eines provinziellen, heimatlichen und gemeinschaftlichen Lebens. Dadurch werden dem abstrakten Sein die Insignien der Konkretheit verschafft.

Diesen Übergang von der ontologischen zur ethischen Bedeutung der Boden-Metaphorik tritt an späteren Texten deutlich hervor. Adorno arbeitet ihn unter anderem an der Rundfunkrede »Schöpferische Landschaft: Warum bleiben wir in der Provinz?« aus dem Jahr 1934 heraus. Heidegger rechtfertigt darin seine Ablehnung eines Rufs nach Berlin. Er behauptet, sein Denken ziehe seine Kraft aus der »Bergwirklichkeit« des Schwarzwalds, gehöre in die bäuerliche Lebenswelt und sei gebunden an eine »durch nichts ersetzbare schwäbisch-alemannische Bodenständigkeit«.61 Heidegger, „Schöpferische Landschaft: Warum Bleiben Wir in Der Provinz?“, S. 10f . Bedroht sieht Heidegger das bodenständige Denken und Leben durch die Bodenlosigkeit, die in Gestalt der städtischen Touristen ins Bergidyll einbricht. In vielen anderen Texten wird dieses normative Schema reproduziert: die moderne Seinsvergessenheit wird stets mit Metaphern der Bodenlosigkeit, Wurzellosigkeit und Heimatlosigkeit dargestellt; und das Sein mit »wurzelkräftiger«,62 Heidegger, Gelassenheit: Zum 125. Geburtstag von Martin Heidegger: Heideggers Messkircher Rede von 1955, S. 15 . bodenständiger Heimat assoziiert.

(3.) Die immanente Kritik stellt also ein Changieren des Metapherngebrauchs zwischen einer systematischen und einer normativen Funktion heraus. Um diese normative Aufladung bewerten zu können, muss die immanente in die transzendente, das heißt im Wortlaut von Adornos Nachschrift: in die soziologische Deutung der abgerufenen Leitbilder übergehen. Deren Befund lautet: es handelt sich dabei um gesellschaftlich etablierte Leitbilder, die einer kulturkritischen Denkform zugehören. Diese historische Form von Kulturkritik richtet sich auf (Krisen-)Phänomene der Moderne, ohne diese soziologisch zu deuten. Stattdessen werden sie als Ausdruck des Kulturverfalls und Werteverlusts einer dekadenten Zivilisation verstanden. Adornos Kritik solcher Kulturkritik setzt einerseits solcher Fehldeutung eine gesellschaftskritische Deutung derselben Phänomene entgegen.63 Die Jargon-Schrift steht im Kontext eines sich durchziehenden Projekts des oft selbst als ›Kulturkritiker‹ missverstandenen Adorno: Es lässt sich als materialistische Kritik der Kulturkritik bezeichnen. Vgl. Tränkle, „Kulturkritik Und Gesellschaft“. Andererseits durchleuchtet sie die Kulturkritik ideologiekritisch. Dazu setzt sie an deren sprachlichen Artikulationsformen an. Das Urteil über diese lautet: Der Jargon reproduziert letztlich dieselbe »Warensprache«,64 Der Ausdruck geht zurück auf Karl Marx. Vgl. Marx, Das Kapital, Bd. 1., S. 66 f. der sich seine hochtrabenden Ausdrucksweisen entgegenstellen; er ist Produkt eben jener Kulturindustrie, deren Verwertungsmechanismen er oberflächlich opponiert. Um dieses Urteil zu erhärten, ist also die gesellschaftliche Form- und Funktionsbestimmtheit der Boden- und Heimatmetaphorik zu untersuchen.

Diese Untersuchung zeigt die Funktion jener durch die Metaphorik evozierten Konkretheit und ermöglicht ihre Beurteilung als Pseudo-Konkretheit. Der Schein von Konkretheit adressiert eine moderne Bedürfnislage: das legitime Bedürfnis nach einem Konkreten, nicht Austauschbaren, nicht Fungiblen inmitten einer auf Abstraktion, Tausch und Fungibilität gegründeten Gesellschaft. Doch kanalisiert sie dieses Bedürfnis und speist es mit einer Scheinbefriedigung ab. Nicht durch Sättigung mit konkreter Erfahrung, sondern durch Evokation synthetischer Erfahrungs-Surrogate reklamiert die Seinsphilosophie Konkretheit. Es handelt sich um Pseudo-Konkretheit, weil die Bilder eines heilen Landlebens dem Zeitalter nicht nur der technischen Massenproduktion, sondern auch der industriellen Massenvernichtung völlig unangemessen sind. Weder die bäuerliche Lebensform noch die Landschaft entsprechen dort, wo sie in prekären Enklaven fortexistieren, einem Idealbild. Die Bergdorfidylle ist folglich nicht Gegenstand authentischer Erfahrung, sondern eine anachronistische Fiktion. Doch entspringt die Fiktion nicht einem subjektiven Spleen Heideggers, sondern ist objektiv vorgeprägt. Die Gegenbilder zur Welt des »Betriebs«, so Adorno, seien selbst bereits synthetische Produkte – »ästhetische Stapelware« – aus den Arsenalen der Kulturindustrie.65 Adorno, „Jargon Der Eigentlichkeit“, S. 451 . So evoziert Heidegger dieselben Bilderwelten, wie die UFA-Heimatfilme. Was sie ausstrahlen, das ist nicht Konkretheit, sondern die angedrehte Aura einer stereotypen Bergwelt. Sie fungierte schon im Nationalsozialismus im Rahmen der Blut- und Boden-Weltanschauung, einer antimodernen Komplementärideologie zur gesellschaftlichen Realität der forcierten Modernisierung.

(4.) Die soziologische Deutung bezieht sprachliche Formen auf die gesellschaftliche Wirklichkeit in der sie fungieren und die sie darstellen. Somit erlaubt sie ein Urteil über den Gebrauch der Boden- und Heimatmetaphorik: Sie erweist sich, in der oben zitierten Diktion Adornos, als Konstituens einer schlechten Sprachgestalt. Als schlecht wird die Sprachgestalt beurteilbar, weil sie, anstatt einem sachlichen Bedeutungsgehalt auszudrücken, durch die Darstellungsform selbst einen Sinngehalt (Adorno: die metaphorische Bedeutung) setzt, der sich vor die Sache schiebt. Darum kann in diesem Fall untriftigen Metaphern gesprochen werden. Triftig wäre ihr Gebrauch, wenn die Metaphorik die gesellschaftliche Wirklichkeit aufschlösse und einen genuinen Erfahrungs- und Erkenntnisgehalt aufwiese; untriftig ist dieser Gebrauch, weil die Metaphorik einen »Wall vor der Realität bildet« und deren Erkenntnis verhindert.66 Adorno, Negative Dialektik, S. 205 . »Triftigkeit« wird zum Kriterium sprachlicher Ausdrucksleistung erhoben in: Adorno, „Drei Studien Zu Hegel“, S. 339 . Zu festen Mustern, Stereotypen und Phrasen erstarrte Metaphern kanalisieren den Blick auf die Wirklichkeit im Sinne einer ideologischen Denkform. Der sprachliche Funktionszusammenhang, in dem sie artikuliert wird, heißt ›Jargon‹.

Doch kann sich eine gesellschaftskritische Deutung nicht auf das Verdikt der mangelnden Triftigkeit beschränken. Wie gefährlich ein einschlägiger Metapherngebrauch werden kann, belegen seine Konvergenzen mit der Ikonographie des modernen Antisemitismus. Auch das kann ich nur anreißen. In den letzten Jahren hat die Nachlass-Publikation von Heideggers sogenannten Schwarzen Heften viel Furore gemacht. Darin wird das Negativprinzip der »Bodenlosigkeit« ausdrücklich mit dem »Judentum« identifiziert.67 Heidegger, Überlegungen VII-XI: Schwarze Hefte 1938-39, S. 97 . Letzteres sei »durch zähe Geschicklichkeit des Rechnens und Schiebens« disponiert für die »Machenschaft«.68 Heidegger, Überlegungen VII-XI: Schwarze Hefte 1938-39, S. 97 . ›Machenschaft‹ meint beim späten Heidegger das weltgeschichtliche Gegenprinzip des ›Seyns‹. Es ist ein Oberbegriff für Phänomene, die mit der Durchsetzung technischer, wissenschaftlicher und ökonomischer Rationalität assoziiert sind. Oder anders formuliert: ›Machenschaft‹ steht für die moderne Herrschaft des Abstrakten, das als das Prinzip sowohl von Intellektualität als auch von Kapitalismus gilt. Die Deutung des Jüdischen als personalisierende Verkörperung des Abstrakten bedient sich des antisemitischen Stereotyps schlechthin. Interessant ist daran, dass die Stellen aus der Nachlass-Publikation bestätigten, was Adornos Sprachkritik bereits an den Tag gebracht hat. Das belegt ihre analytische Kraft. Sie liegt darin, auf solche expliziten Aussagen gar nicht angewiesen zu sein. Durch Berücksichtigung des Eigensinns der sprachlichen Darstellung zeigt sie: Der Affekt gegen das ›bodenlose Denken‹ und seine imaginierten Protagonisten hat nicht allein dort antisemitische Implikationen, wo diese wortwörtlich mit ›den Juden‹ identifiziert werden. Eine ideologiekritisch verfahrende Metaphorologie legt offen, wie weitgehend sich Heideggers Philosophie durch eine manichäisch aufgeladene metaphorische Konfiguration von Bodenständigkeit und Bodenlosigkeit, von Konkretheit und Abstraktheit mit der Denkform des modernen Antisemitismus verschränkt.

Daran lässt sich jenes oben eingeführte Phänomen des Metaphernrealismus nachvollziehen: wie eine Weltanschauung als ›realistische‹ Welterklärung missverstanden wird. Wir meinen dann, die Welt oder die Gesellschaft sei unmittelbar so, wie die Metapher es anzeigt: etwa, dass sich Menschen in bodenständige Agenten des Konkreten und bodenlose Agenten des Abstrakten kategorisieren lassen. Es handelt es sich um ein ebenso systematisches wie gefährliches Missverstehen. Weil es System hat, lässt sich, wie ich meine, dabei von einer ideologischen Funktion sprechen. ›Ideologisch‹ ist hier in einem an Marx anschließenden Sinne zu verstehen: als Merkmal einer von der Verfasstheit der gesellschaftlichen Wirklichkeit selbst motivierten falschen Denkform.69 Vgl. Adorno, „Beitrag Zur Ideologienlehre“, S. 465 . Ideologisch sind entsprechende Sprachformen auch insofern, als sie selbst Formen gesellschaftlicher Praxis sind. Als Verkehrsformen können Denk- und Sprachformen Reflexion ausschalten und handlungsleitend oder handlungsinduzierend wirken. Am politischen Aufstieg des Nationalsozialismus hat der Sprachkritiker Karl Kraus in seinem 1933 erschienen Werk Die dritte Walpurgisnacht die äußerste Konsequenz eines kanalisierten Denkens aufgezeigt. Er nennt sie den »Aufbruch der Phrase zur Tat«.70 Kraus, Die Dritte Walpurgisnacht (1933), S. 123 . Eine Metapher wird nicht mehr nur realistisch gedeutet, sondern die mit ihr verbundene Vorstellung wird in handgreiflicher Weise realisiert. Diese Logik der Eskalation hat der Historiker Nicholas Berg anhand der Geschichte der Metapher vom ›bodenlosen‹ Luftmenschen nachgezeichnet.71 Berg, Luftmenschen: Zur Geschichte Einer Metapher. Ursprünglich als Selbstbeschreibung jüdischer Existenz geprägt und dann zunehmend antisemitisch gewendet, wurde ihr Vorstellungsgehalt schließlich realisiert. Die Vernichtungspraxis des Nationalsozialismus hat Menschen tatsächlich in Luft verwandelt.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Es führt keine direkte Linie vom philosophischen Gebrauch einer Metapher zur Vernichtungspraxis. Keine Denkform und kein Sprachgebrauch allein können gesellschaftliche Entwicklungen erklären. Eben das behaupten deterministische Metapherntheorien. Sie hypostasieren die unbewusste Übermacht metaphorischer Vorstellungen über das Denken und Sprechen. Jüngst hat etwa die neurowissenschaftliche Metapherntheorie von George Lakoff durch die Debatten um seine Schülerin Elisabeth Wehling und das Konzept des »politischen Framings« viel Aufmerksamkeit erhalten.72 Lakoff und Wehling, Auf Leisen Sohlen Ins Gehirn: Politische Sprache Und Ihre Heimliche Macht. In naiv naturalistischer Manier wird hier vermeint, Metaphern könnten im Gehirn verortet werden. Dort spielen sie die Rolle von quasiautonomen Subjekten, die über unser Denken und Handeln herrschen. Um dagegen die Möglichkeit »semantischer Autonomie« zu behaupten,73 Vgl. Hampe, „Kollektive Macht Und Semantische Autonomie“. wende ich mich jetzt einem triftigen Metapherngebrauch zu.

Metaphorische Kritik

Ich rekapituliere noch einmal, wie Adorno einen triftigen von einem untriftigen Metapherngebrauch unterscheidet: Die Evokation einer metaphorischen Bedeutung verhilft zur gedanklichen Erschließung und zum sprachlichen Ausdruck einer Sache, anstatt ihre gedankliche Verschließung und ihre sprachliche Entstellung zu erwirken. Damit fragt sich freilich, wie genau Metaphern eine solche Leistung erbringen. Einen Ansatzpunkt dafür bietet Adornos Charakterisierung des metaphorischen Sinngehalts als ein ›Mehr‹. Ich nehme die Rede vom metaphorischen ›Mehr‹ als Hinweis darauf, dass sich ein triftiger Metapherngebrauch als wesentlich kritischer, eben als metaphorische Kritik konzipieren lässt. Von einer kritischen Funktion kann zweifacher Hinsicht gesprochen werden: In epistemologischer Hinsicht kann ein triftiger Metapherngebrauch als Kritik an der gewöhnlichen Darstellungspraxis (der Philosophie) verstanden werden, die deren formalistische Selbstbeschränkung durchbricht und so mehr von der Sache zu zeigen vermag als diese. In gesellschaftskritischer Hinsicht ist solches Mehr-Zeigen nicht als neutraler Vorgang, sondern als Modus der Kritik an dem Gezeigten: der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu verstehen.

(1.) Die epistemologische, oder genauer: erkenntniskritische Funktion lässt sich an Adornos Projekt einer kritischen Errettung der Rhetorik vor ihrer philosophischen Marginalisierung aufweisen. Mit einer begriffspolitischen Pointe wird dem herkömmlichen, Adorno sagt: »vulgären«,74 Adorno, Negative Dialektik, S. 66 . Begriff der Rhetorik ein geradezu antithetischer kontrastiert. Denn seine Rettung wird um des sprachlichen Ausdrucks der Sache willen unternommen. Gerade dasjenige also soll Sachbezug stiften, was traditionell als der Sache äußerliche Redekunst, etwa als Ornamentik oder Stilistik gilt: als ›bloße‹ Rhetorik, der es durch ästhetisches Einschmeicheln allein um praktische Zwecke: ums Überreden des Anderen zu tun sei. Aber auch über die Anerkennung jener von Blumenberg mit Kant erarbeiteten regulativen Orientierungsfunktion geht das insofern hinaus, als behauptet wird, was diese ausgeschlossen hatten: nämlich eine genuine Erkenntnisfunktion des metaphorischen Gebrauchs von Begriffen.

Um eine kritische Funktion handelt es sich insofern, als die kritische Errettung mit Adorno als die systematische Konsequenz der Kritik an einer formalistisch verkürzten begrifflichen Praxis im Denken und Sprechen (der Philosophie) verstanden werden kann. Im Kern besteht diese Praxis in der Hypostase der logischen Form des Begriffs, der »logischen Identität des Begriffs« gegenüber dem ihm »Nichtidentischen«.75 Adorno, Negative Dialektik, S. 157 . Zu Adornos Begriffskritik vgl. den ersten Teil von Tränkle, Nichtidentität Und Unbegrifflichkeit: Philosophische Sprachkritik Nach Adorno Und Blumenberg., 35–224; zu ihrer Konsequenz, der Rettung der Rhetorik, vgl. Tränkle, Nichtidentität Und Unbegrifflichkeit: Philosophische Sprachkritik Nach Adorno Und Blumenberg, S. 109–175 . Die sprachtheoretische Formulierung des Problems lautet: »Das Moment der [logischen, S.T.] Allgemeinheit in der Sprache, ohne das keine wäre, verletzt unabdingbar die volle sachliche Bestimmtheit des Besonderen, das sie bestimmen will.«76 Adorno, „Drei Studien Zu Hegel“, S. 340 . Die sprachkritische Analyse demonstriert das an der gewöhnlichen Urteilspraxis. Durch die Sprache wird geurteilt, indem Aussagen gebildet werden. Durch Identifikation eines Subjekts mit einem Prädikat wird in einem Satz festgestellt, »worunter etwas fällt«.77 Adorno, Negative Dialektik, S. 152 . So wird die Erfahrung eines Gegenstands oder Sachverhalts dadurch bestimmt, dass dieser unter eine allgemeine Merkmalseinheit subsumiert wird. Diese Form des gewöhnlichen Urteilens nennt Adorno darum »Einpassen«.78 Vgl. Adorno, Negative Dialektik, S. 36 . Folgt man seiner Einschätzung, so zeichnet sich die Praxis der Philosophie weithin dadurch aus, das Einpassen zum Begreifen zu erklären. Für eine ganze Formation sprachlicher Praktiken, man denke prototypisch an das Definieren, wird es zur Norm erhoben. Als klar und deutlich, als verständlich und mitteilbar gelten dann allein Aussagen und Aussagenzusammenhänge solcher logischen Form.

Folgt man Adorno, so greift diese Norm zu kurz: Das prädikative Einpassen macht noch kein Begreifen. Etwas zu begreifen hieße vielmehr, die volle sachliche Bestimmtheit des Besonderen sprachlich zu realisieren. Dazu aber muss das in der Identifikation von Subjekt und Prädikat Nichtidentische berücksichtigt werden. Eben dazu soll nun die metaphorische Verwendung von Begriffen verhelfen. Die These lautet: Metaphorische Darstellung kann den Blick auf das je Besondere am Gegenstand lenken. Hier sei ein denkbar banales Beispiel gegeben: Vergleichen wir zwei Versionen eines einfachen Satzes: ›das Notizbuch ist rot‹ und: ›das Notizbuch ist scharlachrot‹. Wie unterscheiden sich beide Sätze? Der erste Satz gibt eine allgemeine Eigenschaft des Notizbuchs an: sein Rotsein. Der zweite Satz lenkt er unsere Aufmerksamkeit auf dieses eine, besondere Rot. Ihm gelingt das, indem er das Rot als ähnlich mit etwas von ihm Verschiedenen: mit der Färbung der Scharlachzunge bestimmt. Durch Übertragung leistet die Metapher eine materiale Umorientierung: weg von der Subsumtion unter die Merkmalseinheit rot, die das eine besondere Notizbuch mit unzähligen Gegenständen teilt, damit weg von den allgemeinen logischen Bezügen; und dafür hin auf die besondere Röte, die das in Rede stehende Notizbuch aufweist, damit hin auf den aus der je besonderen Erfahrung stammenden Inhalt.

Versteht man die Funktion der lebendigen Orientierung als materiale Umorientierung, so fasst man sie als genuin kritische Leistung. Denn sie unterbricht eine gleichsam automatisierte Subsumtionspraxis, setzt einen Widerstand gegen ihren bewusstlosen und gewohnheitsmäßigen Vollzug. Überdies wird die in der gewöhnlichen Urteilspraxis verdrängte mimetische Kraft der Sprache reaktiviert. Durch ein sich dem Unähnlichen Ähnlich-Machen wird in sprachlicher Darstellung erreicht, was der Sprache unmittelbar unverfügbar ist: Indem der Begriff ›rot‹ durch seine metaphorische Verwendung (›scharlachrot‹) auf die besondere Röte des Notizbuchs hin gebeugt wird, nähert sich der sprachliche Ausdruck seinem Objekt an und schließt es in seiner Besonderheit auf.

Das Beispiel sollte erhellen, inwiefern metaphorischer Darstellung ein ›Mehr‹ an Erkenntnisfähigkeit gegenüber gewöhnlicher Darstellungspraxis eignen kann. Die Reduktion auf einen einzelnen metaphorischen Satz unterschlägt allerdings Entscheidendes. Will man etwas Begreifen, dann kann das gerade kein einzelner Satz leisten, auch kein metaphorischer. Die volle Bestimmung ergibt sich erst im Fortgang der Darstellung, als Entfaltung der begrifflichen und sachlichen Bezüge, die in einem einzelnen Satz stets implizit bleiben müssen. Insofern entfalten auch Metaphern erst in Satzgefügen ihre Erkenntnis- und Ausdruckskraft, zumal solchen, in denen es nicht um Notizbücher geht – sondern um komplexe gesellschaftliche Sachverhalte.

(2.) Auch für den gesellschaftskritischen Metapherngebrauch – dem eigentlichen Gebiet metaphorischer Kritik – bleibt der Titel einer kritischen Errettung bestimmend. Das gilt im Hinblick sowohl auf die Wahl von triftigen Metaphern als auch im Hinblick auf ihren Gegenstandsbezug. Für die Wahl von Metaphern oder Modellen ist festzuhalten, dass sie sich nicht willkürlich erfinden lassen. Kritik gesellschaftlich wirkmächtiger Metaphern ist die Voraussetzung ihrer Rettung, Metaphernkritik die von metaphorischer Kritik: Allein indem vorgefundene Metaphern auf ihre Aussagekraft und deren Grenzen hin befragt, rekonfiguriert und als Modelle in den Dienst kritischer Analyse gestellt werden, wird ein triftiger Gebrauch möglich. Insofern handelt es sich dabei um einen selbstreflexiven Umgang mit Metaphern. In aller gebotenen Kürze sei das illustriert: Zum System jener oben diskutierten Heimatmetaphorik gehört auch die Metapher des Wohnens. Man denke an Heideggers Rede von der Sprache als dem »Haus des Seins«.79 Heidegger, Über den Humanismus, S. 25 . Die Wohnmetapher greift Adorno in der Minima Moralia im Aphorismus »Asyl für Obdachlose« auf.80 Adorno, Minima Moralia, S. 42 f. Doch deutet er sie um und wendet sie negativ. Die Behauptung einer historisch objektiven Unmöglichkeit des Wohnens wird ihm zur Metapher für einen Weltzustand, in dem jegliches bei sich selbst oder in der Welt zu Hause sein unmöglich sei. Das ist einerseits im übertragenen Sinne einer »transzendentalen Obdachlosigkeit« zu verstehen:81 Die Formulierung geht zurück auf Georg Lukács, Die Theorie Des Romans. Ein Geschichtsphilosophischer Versuch Über Die Formen Der Grossen Epik, S. 47 . Der Unmöglichkeit eines selbstbestimmten und sinnerfüllten Daseins unter den gegeben gesellschaftlichen Bedingungen. Aber es ist auch im literalen Sinne zu lesen: mit Blick auf ökonomisch motivierte Prozesse der Standardisierung von Architektur, Inneneinrichtung und Wohnformen, oder auf soziale Realitäten wie das Hausen zahlloser Menschen in Slums und Notunterkünften, also die reale Obdachlosigkeit. Beide Bedeutungen spielen dabei ineinander: An den krisenhaften Veränderungen von Wohnformen wird das in der berühmten Schlusssentenz evozierte »falsche Leben« konkretisiert.82 Adorno, Minima Moralia, S. 43 .

Die Durchführung metaphorischer Kritik macht deutlich, inwiefern der sprachtranszendente Bezug auf die Sache eine Metaphorik als triftig beurteilbar macht. Das wiederum gibt der Metaphernkritik ein starkes Kriterium an die Hand: Sie unterscheidet zwischen einem Gebrauch von Metaphern, der einem Begreifen der Sache in ihrer vollen Bestimmtheit dient; und solcher, die ein schematisches Einpassen vollzieht, unabhängig davon, ob etwas in eine starre logische Form oder in bildliche Vorstellungen eingepasst wird. Konkreter heißt das: Wo Metaphern das Denken, Sprechen und Handeln in die Bahnen gesellschaftlich wirkmächtiger Denkformen leiten, erweist sich ihre Funktion als ideologisch. Wo sie hingegen einen unbefangenen Blick auf die gesellschaftliche Wirklichkeit eröffnen und nicht vorherbestimmte Einsichten ermöglichen, dort erweist sich ihre Funktion als kritisch.

Schluss

Abschließend möchte ich auf den systematischen Ertrag meiner Überlegungen eingehen. Sie erlauben, den Stellenwert gemeinhin als ›ästhetisch‹ oder als ›rhetorisch‹ prädizierter Darstellungsformen in der Philosophie zu bestimmen. Nimmt man das Entfaltete ernst, so hat das begriffliche wie methodologische Konsequenzen: Unsere gewohnten Begrifflichkeiten für die Darstellungsform werden dadurch zwar nicht obsolet, müssen aber ihren Umfang ändern. Wie für den oben im Sinne Blumenbergs und Adornos umbesetzten Begriff der Rhetorik, gilt das auch für Begriff des Stils. Er hat eben nicht nur eine literarische, sondern auch eine genuin philosophische Bedeutung. Sie reicht über sprachliche Stilistik hinaus und umfängt auch die Rede von Denkstilen oder »Stilen von Weltverhalten«.83 Blumenberg, Paradigmen Zu Einer Metaphorologie, S. 25 . Diese Mehrdeutigkeit sehe ich gerade als Stärke solcher Begriffe, denn ausgehend von ihr, kann nach dem Zusammenhang der jeweils gemeinten Ebenen von Denken, Sprechen und Handeln gefragt werden. Insofern erfüllen Begriffe wie Stil, Rhetorik oder auch Metapher eine Vermittlungsfunktion zwischen diesen Ebenen: Ein spezifischer – etwa kulturkritischer Denkstil – wird an der sprachlichen Stilistik – zum Beispiel den evozierten Metaphern – kenntlich, was die Frage nach dem Zusammenhang mit der Verfasstheit der Wirklichkeit impliziert.

Das führt auf die methodologischen Konsequenzen: Jede Auseinandersetzung mit philosophischen Texten wird sich neben ihrem argumentativen Gehalt ihrer ästhetischen Gestalt zu widmen haben. Die herkömmliche kategoriale Kritik wird mit Sprachkritik einhergehen müssen. Die sprachkritische Leitfrage lautet: Was kommt durch die sprachliche Darstellung gegenüber Anderen wie zum Ausdruck? Das philosophische Geschäft der Kritik kann von solcher Ausbildung eines sprach- und insbesondere: metaphernkritischen Sensoriums nur profitieren.

Im Hinblick auf die Frage nach dem Status des Rhetorischen besteht die Arbeit einer metaphorologischen informierten Sprachkritik darin, es entgegen sowohl seiner Unter- als auch seiner Überschätzung richtig einzuschätzen. Die Unterschätzung durch die philosophische Tradition war mein Ausgangspunkt. Versteht man das Rhetorische letztlich als verzichtbares, uneigentliches Ornament der eigentlichen Rede, so unterschätzt man sowohl seine Erkenntniskraft als auch sein Verführungspotential. Die Gegentendenz zur Marginalisierung der Rhetorik ist zweifellos durch Nietzsches Rehabilitierung der Rhetorik inspiriert. Sie führt dort zu ihrer Überschätzung, wo man den sogenannten Logozentrismus zu zersetzen und den Anspruch begrifflicher Bedeutung selbst als ›bloß‹ rhetorischen Machteffekt zu eskamotieren vorgibt; aber auch in deterministischen Metapherntheorien. Dabei wird wieder nur ein abgespaltenes Moment der Sprache hypostasiert, indem das Rhetorische oder Metaphorische pars pro toto für das Ganze oder das Wesen der Sprache genommen wird. Den Status von Metaphern entgegen dieser zweifachen Fehleinschätzung richtig einzuschätzen, das ist der systematische Ertrag einer metaphorologisch informierten Sprachkritik.

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