Die Auffassung, dass geistige Zustände Potentialitäten bzw. Vermögen sind, ist spätestens seit Aristoteles bekannt. Im zwanzigsten Jahrhundert hat sie im Denken Wittgensteins erneut Fuß gefasst und dann Anhänger in der sogenannten Ordinary Language Philosophy gefunden.1 Nach wie vor greifen Denkerinnen und Denker auf diesen Ansatz zurück.2
Eine kritische Diskussion des Für und Wider, mentale Zustände als Vermögen aufzufassen, ist jedoch in den letzen Jahrzehnten in den Hintergrund geraten. Angesichts der Tatsache, dass der Begriff des Vermögens sowie verwandte Begriffe wie »Disposition«, »Fähigkeit«, »Tendenz« usw. wieder in den Fokus philosophischen Interesses gerückt sind und zudem einiger begrifflicher Fortschritt im Rahmen ihrer Analyse erzielt wurde, erscheint es lohnenswert, auch auf diese alte Idee einen frischen Blick zu werfen.
Jenseits dieser sehr allgemeinen Motivation existieren zudem zwei weitere triftige Gründe, die Frage, ob geistige Zustände Vermögen sind, neu zu stellen.
(1) Wirft man einen genaueren Blick auf die Entwicklung der Auseinandersetzung um die Natur geistiger Zustände einerseits und die Definitions- und Explikationsversuche des Begriffs der Disposition andererseits, lassen sich erstaunliche Parallelen in der Entwicklung freilegen. Für fast jeden Vorschlag zur Bestimmung geistiger Eigenschaften oder Zustände lässt sich ein ähnlicher Bestimmungsversuch von Dispositionen auffinden. Offensichtlich ist dies etwa für behavioristische Bestimmungsversuche geistiger Eigenschaften einerseits und die sogenannte einfache konditionale Analyse von Dispositionen andererseits der Fall.3 Ähnliche Vergleiche lassen sich jedoch auch – so möchte ich zeigen – zwischen der sogenannten verbesserten konditionalen Analyse von David Lewis4 und funktionalistischen Konzeptionen geistiger Eigenschaften ziehen. Im Folgenden werde ich mich weitestgehend auf eine Betrachtung dieser Parallelen beschränken. Allerdings geschieht dies vor allem aus Platzgründen. Grundsätzlich lassen sich m.E. auch andere Analysen in Bezug auf beide Phänomene fruchtbar miteinander vergleichen. Angesichts dieser Ähnlichkeiten drängt sich die Frage auf, ob diese Parallelen zufällig sind oder ob sich ein systematischer und philosophisch relevanter Grund hierfür finden lässt. Parallelen solcher Art sollten sicherlich zunächst mit gewisser Vorsicht als wissenschaftssoziologisches Phänomen verstanden werden und nicht ohne genauere Prüfung so aufgefasst werden, dass sich hinter ihnen begriffliche oder gar metaphysische Einsichten verbergen, die unser Verständnis des Geistes leiten sollten. Pessimisten könnten hier schließlich einwenden, dass die Bestimmungsversuche sich nur deshalb ähneln, weil ähnliche Ansätze über die Grenzen philosophischer Subdisziplinen hinweg zu bestimmten Zeiten in Mode waren. Optimisten könnten hingegen darauf setzen, dass sich an den dialektischen Bewegungen in der Philosophie des Geistes auf der einen Seite und jenen in der Debatte um Vermögen auf der anderen Seite gerade zeigt, dass die Einsicht entscheidend ist, dass geistige Zustände und Eigenschaften tatsächlich Vermögen sind, um das Verständnis des Mentalen voranzutreiben.5
(2) Aufbauend auf der Beobachtung der genannten Parallelen möchte ich zeigen, dass wir allen Grund haben, diese nicht nur offenzulegen, sondern den Vergleich weiter voranzutreiben. Die Untersuchung von Vermögen hat in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen und viele neue Erkenntnisse und Vorschläge geliefert, von denen wir viel für unser Verständnis mentaler Zustände lernen können.
Entsprechend dieser zwei Motivationen gliedert sich mein Beitrag grob in zwei Teile. In den Abschnitten 2 & 3 untersuche ich die genannten Parallelen und erörtere einige Probleme, mit denen funktionalistische Ansätze in der Philosophie des Geistes einerseits und sogenannte verbesserte konditionale Analysen andererseits konfrontiert sind. In den Abschnitten 4 & 5 diskutiere ich Reaktionen auf diese Probleme und skizziere eine moderat-optimistische Antwort auf die Frage, ob sich geistige Zustände als Vermögen auffassen lassen.
Vorab kommentieren möchte ich noch eine terminologische Entscheidung: Ich verwende im Folgenden den Term »Vermögen« als Sammelterm. Unter diesen fallen dieser Verwendung nach Dispositionen, Anfälligkeiten, Tendenzen, Fähigkeiten, Fertigkeiten etc. Hieran wird bereits deutlich, dass es sich um eine technische Verwendungsweise handelt, da der Begriff zumindest in der Alltagssprache (sofern er dort überhaupt noch beheimatet ist) eher positiv Bewertetes (wie besondere Fähigkeiten oder Fertigkeiten) als negativ Bewertetes (wie Anfälligkeiten) zu bezeichnen scheint. Diese in der zeitgenössischen Philosophie verbreitete Verwendungsweise ist sicherlich nicht voraussetzungslos, denn sie suggeriert, dass es etwas gibt, was diese auf den ersten Blick ganz verschiedenen Phänomene miteinander verbindet. Ob sie letztlich gerechtfertigt ist, lasse ich jedoch im Zuge dieses Beitrags offen.
Die Struktur der Diskussion um die Natur mentaler Phänomene im zwanzigsten Jahrhundert wurde im Schatten der Metaphysikkritik und des heraufziehenden Naturalismus geprägt. Die Motivationen dieser Entwicklung waren im Detail sicherlich vielfältig, wenn man Varianten des semantischen Physikalismus im Allgemeinen und verschiedene Spielarten des Behaviorismus im Besonderen betrachtet. Manche dieser Ansätze waren vor allem durch den Versuch motiviert, das Gewinnen psychologischer Erkenntnisse am Beispiel etablierter Naturwissenschaften zu modellieren (ohne dass damit notwendigerweise bestimmte ontologische Bestrebungen verbunden waren). Anderen ging es sicherlich auch darum, unnötigen metaphysischen Ballast loszuwerden.
Auch in der Diskussion um die Natur von Vermögen lassen sich beide Motivationen aufspüren. Ging es einigen vor allem darum, Aussagen über potentielle Eigenschaften in eine Sprache zu übersetzen, die es uns ermöglichen soll, die Rede von potentiellen Eigenschaften im Zuge naturwissenschaftlicher Untersuchungen handhabbar zu machen, ging es anderen (zumindest ebenso viel) um eine aufgeräumte Ontologie.6 Im Ergebnis ist gleichwohl eine Verwandtschaft dieser Ansätze zu beobachten, insofern beide um eine Vermeidung mentaler bzw. dispositionaler Ausdrücke bemüht sind.
Exemplarisch kann hier zunächst auf Carnaps Versuch verwiesen werden, für die prinzipielle Übersetzbarkeit psychologischer Sätze in Sätze einer physikalischen Sprache zu argumentieren. Ein Satz mit mentalem Prädikat wie (1) »Herr A. ist aufgeregt« ist demnach bedeutungsgleich mit einer Beschreibung der folgenden Form:
Der Leib des Herrn A, und insbesondere sein Zentralnervensystem, hat eine physikalische (Mikro-)struktur, die dadurch gekennzeichnet ist, daß Atmungs- und Pulsfrequenz erhöht ist und sich auf gewisse Reize hin noch weiter erhöht, daß auf Fragen meist heftige und sachlich unbefriedigende Antworten gegeben werden, daß auf gewisse Reize hin erregte Bewegungen eintreten und dergl.7
Die Annahme der Bedeutungsgleichheit beider Sätze beruht dabei auf einem verifikationistischen Verständnis der Bedeutung. Demnach ergibt sich der Gehalt empirischer Aussagen aus den sogenannten Protokollsätzen, die aus diesen abgeleitet werden können. Und Satz (2) ist insofern Bedeutungsgleich mit Satz (1), da er (wenn er denn vollständig wäre), die Zusammenfassung aller Protokollsätze ist, die aus Satz (1) ableitbar sind.
Dass hier eine Nähe zwischen der Philosophie des Geistes und der Diskussion um die Natur mancher Vermögen – nämlich Tendenzen und Dispositionen – besteht, ist sicherlich keine aufregende Beobachtung, denn Carnaps Behandlung mentaler Prädikate und dispositionaler Prädikate fällt schlicht gleich aus: So schlägt Carnap ganz grundsätzlich vor, „Dispositionsterme“ mithilfe konditionaler Analysen durch „beobachtbare Prädikate“ zu ersetzen (vgl. 1936 § 7 sowie S. 466; meine Übersetzung), so dass Aussagen der Form »Zucker ist wasserlöslich« auf Sätze reduziert werden können, welche die beobachtbaren Bedingungen angeben, unter denen Zucker in Wasser gelöst ist. Für »...ist wasserlöslich« diskutiert Carnap etwa die Analyse:
[...] if any thing x is put into water at any time t, then, if x is soluble in water, x dissolves at the time t, and if x is not soluble in water, it does not [...]8
Die von Carnap entworfene Strategie des Umgangs mit Aussagen, die mentale Prädikate enthalten, wurde zunächst vor allem damit konfrontiert, dass sie keine Beispiele für erfolgreiche Übersetzungen geliefert hat. Sicherlich stimmt es, dass Aufregung und andere geistige Zustände mit typischen Verhaltensweisen einhergehen, doch das Vorliegen keiner dieser Verhaltensweisen scheint eine notwendige Bedingung für das Bestehen von Aufregung zu sein. Ist etwa Gereiztheit (bzw. das Geben heftiger Antworten) wirklich eine notwendige Bedingung für alle Instanzen der Aufregung? Zu jeder vorgeschlagenen Definition lassen sich zudem scheinbar Gegenbeispiele konstruieren, da abhängig von äußeren Umständen und dem Vorliegen weiterer mentaler Zustände das Verhalten atypisch ausfallen kann. Besonders letztere Beobachtung scheint auf ein strukturelles Problem hinzudeuten, denn in Verbindung mit anderen mentalen Zuständen kann ein beliebiger Zustand Z mit vermutlich jeder Verhaltensweise in Verbindung gebracht werden. Beispielsweise müsste man einer Person S nur die (freilich irrationale) Überzeugung zuschreiben, dass das Austrinken von Farbeimern an Dienstagen Kopfschmerzen zu lindern vermag, um entsprechendes Verhalten als das Haben von Kopfschmerzen durch S sowie das Vorliegen des Wunsches, diese loszuwerden, bei S zu interpretieren.
Die Identifikation von mentalen Zuständen mit der Tendenz bzw. dem Disponiert-sein zu bestimmten Verhaltensweisen wurde u.a. im Lichte dieser Einwände zugunsten eines anderen Bildes aufgegeben, welches den Grundstein für den sogenannten Funktionalismus in der Philosophie des Geistes gelegt hat. Diesem Bild nach sollten wir sowohl den Besitz von Tendenzen oder Dispositionen als auch u.U. okkurente Verhaltensepisoden als Symptome innerer Zustände auffassen.9 Die Zuschreibung mentaler Zustände ist dieser Auffassung gemäß vergleichbar mit der Diagnose von Krankheiten. Obgleich wir eine Krankheit oft anhand von okkurenten Symptomen (etwa einer verschnupften Nase) und Verhaltenstendenzen (bspw. bestimmte Reaktionen auf Medikamente) identifizieren können, so ist der Besitz der Krankheit gerade nicht durch das Vorliegen solcher Symptome bestimmt, sondern durch die Anwesenheit bestimmter Krankheitserreger im Körper; und in manchen Fällen kann (aufgrund sich wandelnder äußerer wie innerer Zustände) ein Krankheitsverlauf atypisch in Hinblick auf die Symptome sein. Ähnlich sollten wir dieser Auffassung gemäß über geistige Zustände nachdenken: Diese stehen zwar in Verbindung mit typischen okkurenten wie dispositionalen Zuständen (etwa einer erhöhten Pulsfrequenz oder dem Gereizt-sein), doch der Umstand, dass das Vorliegen bestimmter Gruppen dieser Phänomene nicht als Bedingung taugt, deute gerade darauf hin, dass auch sie nur als Symptome eines inneren Zustands aufgefasst werden sollten.
Dieser Grundgedanke lebt in zahlreichen funktionalistischen Ansätzen in der Philosophie des Geistes fort, wenngleich sich die Auffassung wandelt, welche genauen Eigenschaften der interne Zustand besitzen müsste, um unserem Umgang mit mentalen Ausdrücken gerecht zu werden. Scheint im proto-funktionalistischen Bild noch die Idee vorzuherrschen, dass dieser grundsätzlich anhand kategorialer Eigenschaften bestimmt werden könne (und sollte?), ist der weiterentwickelte Funktionalismus nicht mehr darauf festgelegt, denn in diesem wird davon ausgegangen, dass der interne Zustand anhand seiner kausalen Rolle zu bestimmen ist. Denn nur so lässt sich plausibilisieren, dass Individuen einer Art mit verschiedenen physiologischen Voraussetzungen bzw. verschiedene Arten von Individuen in einem identischen mentalen Zustand sein können, obgleich die kausale Basis dieses Zustands (i.e. der interne Zustand) sich unterscheidet.
Die von mir eingangs erwähnten Parallelen werden am deutlichsten sichtbar, wenn man die jüngere Diskussion um die Natur von Vermögen mit der bis hierhin geschilderten Entwicklung in der Diskussion um die Natur mentaler Zustände vom semantischen Physikalismus zum Funktionalismus betrachtet.
Ausgangspunkt der zeitgenössischen Diskussion ist die (wohl auf Carnap zurückgehende) einfache konditionale Analyse (s.o.). Eine Disposition wie die der Zerbrechlichkeit würde demnach etwa wie folgt bestimmt werden:
(EKA) S ist zerbrechlich gdw. gilt: Wenn S geschlagen würde, würde S zerbrechen.
Diese Analyse gilt jedoch mittlerweile als gescheitert (zumindest in ihrer einfachen Form), da sie mit Gegenbeispielen konfrontiert wurde. Drei Klassen von Fällen werden gemeinhin unterschieden, nämlich Fälle sogenannten (a) maskings, (b) finkings und (c) mimickings.
(a) Die Zerbrechlichkeit eines Weinglases könnte zum Beispiel dadurch daran gehindert werden, sich zu manifestieren, dass das Weinglas gut eingepackt wird. So würde das Weinglas die Eigenschaft der Zerbrechlichkeit im Sinne der EKA verlieren, weil das verpackte Glas nicht mehr zerbräche, wenn es geschlagen würde. Doch unser alltägliches Zerbrechlichkeitsprädikat scheint auch auf das verpackte Glas anwendbar zu sein. Die dispositionale Eigenschaft liegt weiterhin vor, sie wird jedoch durch die Verpackung an ihrer Manifestation gehindert.10
(b) Wissenschaftler könnten einen Weg finden, die Zerbrechlichkeit eines Glases in der Sekunde, in der es einen Stoß erfährt, aufzuheben, so dass es erneut in einer Weise über die (dann zeitlich beschränkte) Eigenschaft der Zerbrechlichkeit verfügte, ohne dass das Konditional wahr wäre (finking). Lewis fasst diese Idee so zusammen:
Alles kann alles verursachen; also kann es sich auch einmal fügen, dass gerade der Stimulus s selbst derjenige Faktor ist, der das Verschwinden der Disposition, auf Stimulus s Reaktion r zu zeigen, verursachen würde. Wenn die Disposition schnell genug verschwände, würde sie nicht manifestiert. Auf diese Weise könnte es falsch sein, dass x, wenn x s ausgesetzt wäre, Reaktion r zeigen würde. Und dennoch behält x seine Disposition, solange s nicht auftritt. Solch eine Disposition, die umgehend verschwände, wenn sie auf die Probe gestellt würde, nennt man finkisch. Ein auf finkische Weise zerbrechlicher Gegenstand ist tatsächlich zerbrechlich, solange er nicht gestoßen wird. Aber würde er gestoßen, dann würde er umgehend seine Zerbrechlichkeit verlieren und nicht zerbrechen.11
(c) Nicht-zerbrechliche Gegenstände wie etwa Stahlbetonblöcke könnten in ungewöhnlichen Umständen durchaus auf Einschlag zerbrechen, ohne dass sie über die Eigenschaft der Zerbrechlichkeit verfügen. Beispielsweise dann, wenn durch einen Stoß ein Mechanismus ausgelöst würde, der den Block zur Explosion brächte. Die EKA wäre in solchen Fällen erfüllt, ohne dass die Eigenschaft der Zerbrechlichkeit vorläge. Vielmehr würde die Eigenschaft lediglich »nachgeahmt« (mimicking).12
Überlegungen dieser Art sprechen dafür, dass unsere Verwendung von Dispositionsbegriffen nicht durch eine konditionale Analyse der oben genannten Form eingefangen werden kann. Vielmehr scheint die Verbindung, die zwischen einer potentiellen Eigenschaft und ihren Manifestationen besteht, genauer spezifiziert zu sein. Verbesserungsversuche tragen dieser Überlegung Rechnung. Und an diesen Verbesserungsversuchen möchte ich erneut einige Parallelen zur Philosophie des Geistes verdeutlichen. Exemplarisch betrachte ich hierfür David Lewis’ verbesserte konditionale Analyse von Dispositionen:
Ein Gegenstand x ist genau dann zu t disponiert, auf Stimulus s Reaktion r zu zeigen, wenn für eine intrinsische Eigenschaft B, die x zu t hat, und für einen Zeitpunkt t’ nach t gilt: Wenn x zu t einem Stimulus s ausgesetzt wäre und die Eigenschaft B bis t’ beibehalten würde, dann wären s und xs Haben von B zusammen eine x-vollständige Ursache dafür, dass x Reaktion r zeigt.13
Auf der Grundlage von Lewis’ Analyse lässt sich nun mit Finks, Masks und Mimicks umgehen, wobei ich mich im Folgenden auf Fink-Fälle konzentrieren möchte. (Lewis ist der Auffassung, dass das Problem des maskings durch eine genauere Spezifikation der Bedingungen aufgelöst werden kann. So ließe sich weiterhin sagen, dass das Glas zerbrechen würde, wenn es ungeschützt gestoßen würde. Mimick-Probleme sollen hingegen umgangen werden, indem der Prozess des Zerbrechens auf Standard-Prozesse eingeschränkt wird.)
Die wesentliche Neuerung dieser Analyse besteht darin, dass Dispositionen mit ihrer kategorischen Basis in Verbindung gebracht werden, von der angenommen wird, dass sie eine intrinsische Eigenschaft des Trägers der Disposition ist (d.h. eine Eigenschaft, die der Träger nicht aufgrund äußerer Umstände besitzt, in denen er sich befindet). Diese Idee trägt wiederum der Intuition Rechnung, dass Dispositionen entweder selbst intrinsische Eigenschaften sind oder aber aufgrund intrinsischer Eigenschaften von ihren Trägern besessen werden. Ist dem so, wäre es nicht verwunderlich, warum wir beispielsweise geneigt sind, einem verpackten Glas die Disposition der Zerbrechlichkeit zuzuschreiben, obgleich die EKA nicht erfüllt ist, insofern die Zerbrechlichkeit ja nur aufgrund der Veränderung äußerer Umstände an ihrer Manifestation gehindert würde. Lewis’ Analyse soll der Intrinsikalität von Dispositionen nun dadurch gerecht werden, dass nicht länger davon ausgegangen wird, dass Dispositionen Zustände sind, die sich lediglich aufgrund der Einwirkung von Stimuli manifestieren. Vielmehr werden sie als Zustände aufgefasst, deren Manifestation sowohl auf das Auftreten des Stimulus zurückzuführen ist als auch auf das Fortbestehen einer kausal wirksamen Basis der Disposition im Träger während des Zeitraums vom Auftreten des Stimulus bis zur Manifestation.
Lewis’ Gedanke scheint dabei eine abstraktere Variante jener Reaktionen zu sein, die in der Philosophie des Geistes auf die Analysen des semantischen Physikalismus gefolgt sind. In beiden Fällen wird auf eine intrinsische Eigenschaft verwiesen, wobei der Verweis dazu dient, ein Vermögen so zu individuieren, dass ein Prozess als Reaktion auf einen Stimulus ausgewiesen werden kann, ohne dass wir gezwungen sind, abweichende Fälle als Manifestationen zu werten. Letztlich sollen wir so imstande sein, echte Manifestationen einer Disposition von vermeintlichen Manifestationen zu unterscheiden. Außerdem soll das Ausbleiben einer Manifestation unter geeigneten Stimulus-Bedingungen uns so nicht sofort dazu zwingen, dem Träger seine Disposition abzusprechen. Zudem wird in beiden Fällen der einschlägige intrinsische Zustand anhand seiner kausalen Rolle identifiziert. Es scheint somit in zweierlei Hinsicht eine strategische Nähe zwischen dem Funktionalismus in der Philosophie des Geistes und Verbesserungsversuchen der EKA zu geben, welche auf intrinsische Eigenschaften rekurrieren.
Es ist wenig verw”nderlich, dass man für den Funktionalismus in der Philosophie des Geistes und Verbesserungsversuche der Lewis’schen Art ähnliche Probleme konstruieren kann. Die Möglichkeit der Übertragung manch bekannter Probleme in der einen Auseinandersetzung auf die andere wurde hingegen (soweit ich es beurteilen kann) oft übersehen. Um den Vergleich weiter voranzutreiben, möchte ich im Folgenden einige dieser Probleme kurz diskutieren.
Das erste Problem ist aus der Philosophie des Geistes bekannt und besteht in der Sorge, dass die Beziehung zwischen mentalen Eigenschaften und physikalischen Eigenschaften nicht in einer geeigneten Weise systematisch ist, als dass sich überhaupt Analysen von Urteilen, in denen mentale Prädikate auftauchen, in solche übersetzen ließen, in denen nur physisches Vokabular auftaucht. Denn die Beziehung der beiden Beschreibungsweisen könnte anomal sein.14 Ich lasse einmal dahingestellt, wieviel für diese Annahme spricht. Klarerweise wurde sie in der Philosophie des Geistes sehr ernst genommen; und es ist möglich, eine verwandte Sorge in Hinblick auf Analysen von Dispositionen zu wecken, die auf intrinsische Eigenschaften verweisen. Anomalität wäre für ein Lewis’sches Verständnis von Dispositionen problematisch, da, wenn es keine nomologische Beziehung zwischen Typen von intrinsischen Eigenschaften und Dispositionen gäbe, sondern bloß eine Token-Identität zwischen beiden bestünde, die Analyse nicht mehr dazu geeignet wäre, bestimmte Gegenbeispiele auszuschließen, da man nicht zwischen Typen adäquater Eigenschaften und Typen nicht-adäquater Eigenschaften unterscheiden könnte, die die Rolle der intrinsischen Eigenschaft bei der Individuation der Disposition übernehmen. Man könnte sich etwa vorstellen, dass die spezifische Zerbrechlichkeit eines Gegenstandes in einem gewissen Zeitraum sich in Hinblick auf die Zerbrechlichkeit, über die er normalerweise verfügt, aufgrund einer Einwirkung auf seine intrinsische Struktur unterscheidet. Wir hätten es demnach mit einem Fall zu tun, der demjenigen des mimicking ähnelt, wobei der Grund für die Eigenschaftsveränderung jedoch nicht in der Veränderung externer Eigenschaften zu finden wäre.
Überlegungen dieser Art ziehen grundsätzlich die Strategie in Zweifel, dass eine funktionale Bestimmung der intrinsischen Eigenschaft dazu geeignet ist, dispositionale und/oder mentale Zustände zu individuieren. Sofern ein Gegenstand oder eine Person aufgrund des Vorhandenseins eines Stimulus und weiterer intrinsischer Eigenschaften eine Reaktion zeigt, die prinzipiell eine Manifestation sein könnte, scheint trivialerweise diese intrinsische Eigenschaft die funktionale Rolle der Kausalursache übernommen zu haben. Erlaubt man jedoch, dass diese Rolle in beliebig vielen Fällen von beliebig verschiedenen intrinsischen Eigenschaften übernommen werden kann, wäre man nicht länger in der Lage, verschiedene Varianten von Dispositionen zu unterscheiden. Ein im Funktionalismus verbreiteter holistischer Zug erlaubt es vielleicht, sich gegenüber diesem Einwand zu wappnen. Gemeinhin wird akzeptiert, dass intrinsische Zustände nicht nur in einer Beziehung zu Stimuli und Reaktionen stehen, sondern auch in Beziehungen zu anderen intrinsischen Eigenschaften. (Offen ist, inwiefern diese Überlegung auf Lewis’ Analyse übertragen werden kann.)
Jüngere Entwicklungen in der Debatte um die Natur von Vermögen haben zudem Probleme bezüglich der Analyse von Vermögen mithilfe konditionaler Analysen aufgedeckt. Eines dieser Probleme, das sogenannte Problem der »Qualitativen Diversität«, welches auf eine Kritik von Barbara Vetter zurückgeht, möchte ich kurz skizzieren.15
Beim Versuch, eine konditionale Analyse für gewöhnliche Prädikate wie etwa das englische »...is fragile« zu formulieren, entpuppen sich diese vermeintlich spezifischen Dispositionen als sogenannte Multi-Track-Dispositionen. Spezifische Dispositionen sind nach Vetters Verständnis solche, die durch ein einzelnes Konditional eingefangen werden können, und zwar beispielsweise gemäß der folgenden Form:
Where D is a disposition and C a conditional of the form: if x were S, then x would be M, D is adequately characterized by C (and C alone) only if...
(1) For all objects x that have D, if x were S, then ceteris paribus, x would be M.
(2) For all objects x that have D, if x manifests D at t, then x is M at t and is S at or before t.16
Bedingung (1) betrifft die Dispositionszuschreibung. Einem Objekt die Disposition D zuzuschreiben, besagt demnach, dass das Objekt auf einen Stimulus S mit der Manifestation M reagieren würde. (Wobei Problemfälle wie die des finkings und maskings mithilfe der ceteris- paribus-Klausel hier ausgeklammert werden.) Gegenstände, die über die Eigenschaft D verfügen, sind solche, die die Manifestation M aufweisen würden, wenn die Stimulusbedingungen S aufträten. Bedingung (2) sorgt dafür, dass es sich um eine spezifische Disposition handelt, insofern genau einem Stimulus genau eine Manifestation zugeordnet wird. Dem Auftreten von M geht damit notwendig das Auftreten von S voraus (bzw. M und S treten zum gleichen Zeitpunkt auf). Da somit genau angegeben zu werden scheint, unter welchen Bedingungen sich die Disposition manifestiert, scheint diese Analyse auf den ersten Blick gelungen zu sein.
Eine Eigenschaft wie die der Zerbrechlichkeit, so Vetter, werde jedoch nicht von einem solchen Konditional eingefangen. Für jeden beliebigen Stimulus ließen sich nämlich Gegenbeispiele konstruieren, was folgende Überlegung zeigt: Man nehme einen beliebigen Stimulus aus der Liste möglicher Stimuli und setze ihn in die EKA für Zerbrechlichkeit ein, etwa mit folgender Analysevariante: (V1) »Wenn man x mit einem Hammer schlüge, würde x zerbrechen.« Diese Analyse überzeugt nicht aufgrund von Bedingung (2), denn alle Fälle von Zerbrechlichkeit aufgrund anderer Einwirkungen wären nach Bedingung (2) keine Fälle von Zerbrechlichkeit mehr. Die Zerbrechlichkeit eines Glases ist jedoch nicht in dieser Weise an den spezifischen Stimulus des Hammerschlags gebunden.
Eine vermeintliche Lösung für dieses Problem besteht in der Verallgemeinerung der Stimulus-Bedingung. So könnte beispielsweise »beansprucht sein« als Disjunktion aller Eigenschaften definiert werden, welche zerbrechliche Objekte zum Zerbrechen bringen. So käme man etwa zu folgendem Analyseversuch: »(V2) Wenn man x beanspruchte, würde x zerbrechen.« Doch dieser Versuch verletzt Bedingung (2), da nicht alle Stimuli, die Zerbrechlichkeitsstimuli für manche Objekte sind, Zerbrechlichkeitsstimuli für alle anderen (dennoch zerbrechlichen) Objekte sind. Ein alter Holzstuhl zerbräche etwa, setzte man ihn einer ungewöhnlichen Temperatur aus. Eine Vase würde ihre Zerbrechlichkeit jedoch unter dieser Temperaturveränderung nicht manifestieren. Um die Analyse zu retten, müssten somit für bestimmte Objekte bestimmte Stimuli spezifiziert werden. Doch dieser Schritt würde uns wieder zurück zur ersten Strategie und den damit verbundenen Problemen führen.
Ein zweites, anders gelagertes Problem, das ebenfalls unter dem Schlagwort »multi-track« verhandelt wurde, geht auf die Beobachtung zurück, dass manche Vermögen (u.A. jene, um die es uns in der Philosophie des Geistes geht) auch hinsichtlich ihrer Manifestationen nicht-spezifisch sind. D.h. sie manifestieren sich nicht in einer Verhaltensweise, sondern in zahlreichen. Beherrscht man etwa die Grundrechenarten, so besitzt man ein Vermögen, ganz verschiedene Dinge tun zu können. Nicht nur bedeutet dies, dass man die allgemeine Fähigkeit, rechnen zu können, in verschiedene Fähigkeiten untergliedern kann (addieren zu können, subtrahieren zu können...), sondern auch, dass die Ausübungen der Fähigkeit in ontologischer Hinsicht ganz verschieden sein können. Eine Rechnung kann beispielsweise in einer Reihe von Vorstellungen bestehen oder »auf dem Papier« stattfinden. (Diese Beobachtung hat manche dazu geführt, für eine kategoriale Trennung zwischen Dispositionen einerseits und Fähigkeiten andererseits zu plädieren; aber hierzu gleich mehr.)
Analysen von Vermögen auf Basis von Konditionalen sind also mit einer ganzen Reihe von Problemen konfrontiert. Masks, finks und mimicks bilden dabei nur den Ausgangspunkt. Selbst wenn wir diese Probleme überwinden können, hätten wir immer noch das von Vetter aufgeworfene Problem der qualitativen Diversität zu lösen. Und würde uns dies gelingen, hätten wir immer noch keine Analyse für komplexe Vermögen wie Fähigkeiten zur Hand. Es scheint also lohnenswert, sich nach Alternativen umzusehen.
Eine Reaktion auf die Diskussion der genannten Probleme in der Philosophie des Geistes besteht darin, für eine kategoriale Trennung zwischen Dispositionen und Fähigkeiten zu argumentieren. Der zentrale Fehler der Positionen in der Philosophie des Geistes – so lässt sich diese Reaktion zusammenfassen – bestehe darin, dass alle Vermögen – auch Fähigkeiten – nach dem Vorbild von Dispositionen behandelt würden, insofern sie einer konditionalen Analyse zugeführt würden. Die Probleme, mit denen der semantische Physikalismus konfrontiert wurde und jene, die den Funktionalismus plagen, zeigten jedoch, dass dies ein Fehler sei, der nicht durch bloße Verfeinerungen der konditionalen Analyse zu beheben sei. Fähigkeiten sollten vielmehr grundsätzlich von Dispositionen unterschieden werden.17
Mir scheint jedoch, dass diese Art von Reaktion nicht tief genug greift. Denn sie übersieht, dass die jüngeren Entwicklungen in der Debatte um die Analyse von Dispositionen zeigen, dass auch Dispositionen nicht das sind, was sie zu sein schienen, nämlich Phänomene, die mithilfe von konditionalen Analysen eigefangen werden können. Der Realismus in Bezug auf Vermögen, der in den letzten Jahrzehnten Fuß gefasst hat, ist eine Reaktion auf diese Diagnose. Probleme wie finks, masks oder mimicks wären demzufolge „ein Symptom für die Tatsache, dass Dispositionen Eigenschaften sind“18 und es bei ihrer Analyse nicht bloß darum gehen kann, zu untersuchen, unter welchen Umständen Gegenstände bestimmtes Verhalten an den Tag legen.
Obgleich einiges für diese Diagnose spricht, möchte ich im letzten Abschnitt meines Beitrags eine andere Diagnose vorschlagen – eine die nicht direkt zu einer realistischen Auffassung von Vermögen führt und die meines Erachtens besonders geeignet ist, die Rede von Vermögen im Kontext der Philosophie des Geistes nachvollziehbar zu machen. (Ich werde daher auf eine Diskussion der neueren realistischen Ansätze von Vermögen verzichten.)
Mein Ansatz stellt zunächst nicht die Frage nach der Natur von Vermögen, sondern ich betrachte zwei Rollen, die Vermögenszuschreibungen im Sprachgebrauch einnehmen. Grob unterscheidbar sind diese zwei Rollen anhand zweier Ziele, die mit der Rede von Vermögen und potentiellen Eigenschaften verfolgt werden können. So können mit Vermögenszuschreibungen Aussagen getätigt werden, die auf bestimmte mechanische oder natürliche Prozesse verweisen, welche ein bestimmtes Verhalten erklären. Andererseits können solche Zuschreibungen auch ohne Bezugnahme auf solche Erklärungen geäußert werden und sich auf mögliches Verhalten ihrer Träger beziehen. Die Ziele stehen dabei offenbar mit typischen Interessen, die wir verfolgen, in Zusammenhang. So spielt die erste Variante von Vermögenszuschreibungen vor allem im Kontext der Klärung von Warum-Fragen eine Rolle. Eine Biologin mag etwa fragen, warum ein Tier eine bestimmte Verhaltenstendenz zeigt, oder ein Chemiker, warum ein Stoff wasserlöslich ist. Die zweite Variante steht hingegen typischerweise im Zusammenhang mit Ob-Fragen. So geht es einem Lehrer zum Beispiel darum, herauszubekommen, ob seine Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, bestimmte Aufgabentypen zu lösen.
Spricht man nun beispielsweise davon, dass ein Zuckerwürfel wasserlöslich sei (auch wenn er hier und jetzt noch nicht aufgelöst ist) oder dass eine Maschine einen bestimmten Gegenstand herstellen könne (auch wenn sie hier und jetzt nichts herstellt), so besteht ein Verständnis dieser Aussagen darin, dass auf die physische Struktur des Zuckerwürfels bzw. die Mechanismen der Maschine verwiesen wird, deren Vorliegen das jeweilige Verhalten im Sinne der ersten Verwendungsweise erklärt. Zucker die Disposition der Wasserlöslichkeit zuzusprechen würde also bedeuten, eine Aussage über seine Struktur und das sich aus dieser Struktur resultierende Verhalten zu tätigen. Auf vergleichbare Weise lässt sich die Aussage über die Maschine verstehen, denn auch hier wird ein Prozess mit ihrer mechanischen Struktur in Verbindung gebracht.
Von dieser Verwendungsweise lässt sich jedoch eine zweite unterscheiden: Dass sich Zucker im Wasser auflöst oder dass eine Maschine bestimmte Gegenstände herstellen kann, lässt sich auch verstehen, ohne dass seitens der verstehenden Person Wissen um die zugrundeliegenden Vorgänge vorliegt. So lässt sich auch ohne naturwissenschaftliche Kenntnisse einsehen, dass sich Zucker normalerweise im Wasser auflöst (es sei denn, es ist schon zu viel Zucker im Wasser etc.). Und die Aufgabe einer Maschine lässt sich einsehen, sobald man erfährt, für welchen Zweck sie geschaffen wurde, ohne dass man die zugrundeliegenden mechanischen Abläufe kennen müsste. Kurz gesagt: Der Rede von Vermögen kann einerseits ein mechanistisches Verständnis zugrundeliegend, wonach eine Disposition bzw. ihr Besitz letztlich auf den Besitz eines Mechanismus zurückgeführt wird oder die Disposition selbst mit dem Mechanismus identifiziert wird (ich nenne dieses Verständnis im Folgenden »mechanistisch«). Andererseits können Begriffe wie »Fähigkeit« oder »Disposition« gänzlich unabhängig von so einem Verständnis gebraucht werden. Etwa dann, wenn wir beim Lehren und Lernen Personen in die Lage versetzen möchten, einen bestimmten Aufgabentyp lösen zu können. Dann Bezeichnen diese Terme vielmehr ein bestimmtes Können (das es noch genauer zu analysieren gilt).
Vor dem Hintergrund dieser Unterscheidung lässt sich nun die Kritik am Einsatz von Begriffen wie »Disposition« in der Philosophie des Geistes präziser verstehen. Wie ich bereits am Ende von Abschnitt 3 angedeutet habe, lautet eine Kritik gegenüber der Idee, dass mentale Vermögen Dispositionen sind, dass hinter dieser Annahme eine implizite kategoriale Verwechslung steht und mentale Vermögen keine Dispositionen, sondern Fähigkeiten sind. Hinter diesem Vorwurf steht meines Erachtens wiederum die implizite Annahme, dass der Dispositionsbegriff letztlich mechanistisch verstanden werden müsse, während dies beim Fähigkeitsbegriff unmöglich sei. Doch diese Annahme ist in zweierlei Hinsicht vorschnell: Erstens ist es möglich, nicht implizit – sondern aufgeklärt – nach Prozessen oder Mechanismen zu suchen, die mit komplexen Fähigkeiten kausal zusammenhängen oder mit diesen zu identifizieren sind. (Obgleich ein solches Vorhaben natürlich scheitern kann). Zweitens stimmt es nicht, dass die Verwendung des Dispositionsbegriffs notwendigerweise auf einem mechanistischen Verständnis beruht. Aussagen über Dispositionen (wie auch Tendenzen oder Anfälligkeiten) können ebenso auf die zweite von mir identifizierte Weise interpretiert werden.
Auf Grundlage dieser Unterscheidung eröffnet sich nun ein etwas anderer Weg, das Auftauchen von masks, finks und mimicks verständlich zu machen: Diese Problemfälle resultieren aus dem Schwanken zwischen den beiden Verwendungsweisen von Vermögensvokabular. Zumindest scheinen sie zu verschwinden, wenn man sich für eine Verwendungsweise entscheidet. Wenn wir (von Warum-Fragen getrieben) danach Fragen, welcher Mechanismus oder Prozess dafür sorgt, dass auf bestimmte Reize, Stimuli oder Inputs bestimmte Prozesse bzw. Verhalten folgen, kann eine befriedigende Antwort nur in der Identifikation eines bestimmten Prozesses oder Mechanismus (bzw. Typs von Prozess oder Mechanismus) bestehen. Entsprechend hätten wir es mit zwei verschiedenen Dispositionen zu tun, wenn etwa zwei Drucker auf ganz verschiedene Weise ein auf die identische Art bedrucktes Papierblatt produzieren, oder wenn zwei Stoffe sich auf verschiedene Art und Weise in einer Flüssigkeit lösen. Fragen wir hingegen im nicht-mechanistischen Sinne nach den Vermögen einer Substanz oder eines Individuums, sind die Kriterien für dessen Manifestationen woanders zu suchen; typischerweise im Vorliegen komplexer Verhaltensstrukturen.
Legt man sich bei der Anwendung eines Prädikats wie »...ist zerbrechlich« nun auf ein mechanistisches Verständnis fest und setzt es damit in Beziehung zu bestimmten Prozessen, scheinen mimicks, masks und finks keine Bedrohung mehr zu sein, da in keinem der Fälle eine Reaktion aufgrund des spezifizierten Prozesses stattfindet. Eine nicht-mechanistische Verwendungsweise von »...ist zerbrechlich«, i.e. eine alltägliche Verwendungsweise, scheint hingegen an ganz andere Kriterien gebunden zu sein; etwa dass es nur auf Gegenstände anwendbar ist, die (aus menschlicher Perspektive) klein bis mittelgroß sind; zerbrechen können, wenn sie aus Höhen fallen, die im Zuge üblicher Handhabungen nicht ungewöhnlich sind u.Ä.
Auf der Grundlage dieser Unterscheidung verschwinden zudem die Schwierigkeiten, die sich aus den Überlegungen aus (a) und (b) ergeben. Da im Zuge der mechanistischen Verwendungsweise ein Vermögen letztlich unter Rückgriff auf einen spezifischen Mechanismus oder einen spezifischen Typ von Mechanismus verstanden wird, wird diese Art von Erklärung von bloß funktionalen Bestimmungen der einschlägigen Mechanismen sowieso nicht erfüllt. D.h. die intrinsischen Eigenschaften eines Gegenstandes, die die Basis des Vermögens sind bzw. – in dieser Verwendungsweise – mit der Disposition sogar identifiziert werden, müssen ebenfalls anhand ihrer kategorischen Merkmale identifiziert werden können. Unter diesen Umständen ist es dann auch nicht länger problematisch, dass die Stimuli divers sein können, schließlich hängt die Identifikation der Disposition nicht länger an ihnen.
Was bedeutet dies nun für die Ausgangsfrage meines Beitrags, ob geistige Zustände Vermögen sind? Die Antwort fällt uneinheitlich aus: Dass sie es im Sinne eines mechanistischen Bildes von Vermögen sind, erscheint mir zweifelhaft, jedenfalls ist es sehr umstritten. Sie würde nur in jenen Fällen bejahend ausfallen, in denen physiologische Prozesse mit Dispositionen im mechanistischen Sinne identifiziert werden könnten. Dass sie es im nicht-mechanistischen Sinne sind, ist hingegen sehr naheliegend. Dies bedeutet aber zunächst nur, dass das Zuschreiben mentaler Eigenschaften darauf hinausläuft, von Personen zu sagen, dass sie x-en können. Wie genau dieses Können zu verstehen ist, habe ich noch nicht beantwortet; und ich muss die Frage vorerst vertagen.