Die Unterscheidung zwischen Potentialität und Möglichkeit im Arabischen Avicennismus

Fedor Benevich0000-0001-7338-6731

Der arabische Philosoph Abū ʿAlī b. Sīnā (g. 1037), im Westen unter dem Namen „Avicenna“ bekannt, gehört zu einer langen philosophischen Tradition des arabischen Aristotelismus. So folgt sein opus magnum, Das Buch der Genesung der traditionellen peripatetischen Taxonomie der Wissenschaften: Logik, Naturphilosophie, Metaphysik, usw. Avicenna ererbt das Konzept der Metaphysik von seinen peripatetischen Vorgängern. Der Gegenstand der Untersuchung der Metaphysik ist Seiendes qua Seiendes, bzw. Existierendes qua Existierendes. Gemäß dem aristotelischen Verständnis der Wissenschaft, wie es sich in der Analytica Posteriora findet, das Avicenna in seinem Demonstrations-Teil der Logik übernimmt, ist es die Aufgabe eines Wissenschaftlers, per-se-Akzidentien des Gegenstandes der Wissenschaft zu untersuchen. Demgemäß untersucht Avicenna in seiner Metaphysik die per-se-Akzidentien des Seienden qua Seienden. Dazu gehören solche Paare wie Eins-Vieles-Sein, Substanz-Akzidens-Sein, Universell-Partikulär-Sein, und – zentral für unsere Absicht in diesem Vortrag – Potentiell-Aktuell-Sein.1 Vgl. Bertolacci, The Reception of Aristotle’s Metaphysics in Avicenna’s Kitāb al-Shifāʾ: A Milestone of Western Metaphysical Thought; Benevich, Essentialität Und Notwendigkeit: Avicenna Und Die Aristotelische Tradition.

Avicenna widmet ein ganzes Kapitel des Metaphysik-Teils seines Buches der Genesung dem Paar „potentiell-aktuell“. Dieses Kapitel trägt den Titel „Über die Potentialität, Aktualität, das Vermögen und die Unfähigkeit sowie die Etablierung der Materie für jedes Entstandene“. Im Vergleich zur aristotelischen Metaphysik entspricht dieses Kapitel dem Buch Met. Θ. Tatsächlich treffen wir in diesem Kapitel auf mehrere Inhalte, die uns an die aristotelische Abhandlung über Potentialität und Aktualität in Met. Θ erinnern. Dazu gehört unter anderem die Diskussion, die sich mit der Frage befasst, was die Grundbedeutung von Potentialität und Aktualität ist.2 Vgl. Aristoteles, Aristotle’s Metaphysics, Θ.1 . Der arabische Begriff qūwa heißt wörtlich „Vermögen“ oder „Kraft“ und ist die technische Übersetzung des griechischen Begriffes δύναμις. Der Nachteil an dieser Übersetzung ist, dass sie die unerwünschten nichttechnischen Nebenbedeutungen von Kraft und Vermögen genauso wie beinhaltet. So muss sich Avicenna von diesen Nebenbedeutungen von Anfang an abgrenzen, was er mithilfe der aristotelischen Definition der Potenz macht. Potenz (qūwa) sei laut den antiken Philosophen (falāsifa) ein „Zustand, welcher in einem Ding ist und das Prinzip der Veränderung ist, welche von ihm hervorgeht und sich in einem anderen [vollzieht], insofern es etwas anderes ist“.3Avicenna, Genesung, Metaphysik = Avicenna. al-Shifāʾ, al-Ilāhiyyāt, 131.6–7 ; Aristoteles, Aristotle’s Metaphysics,  Θ.1, 1046a11: ἀρχὴ μεταβολῆς ἐν ἄλλῳ ἢ ᾗ ἄλλο . Diese rein technische Definition ist nicht unbedingt unmittelbar klar. Die Grundidee dahinter ist aber, dass qūwa im technischen Sinne der Potenz ein Prinzip der Veränderung bezeichnet, welcher der Veränderung vorausgeht, wobei die Veränderung das Bewirken eines Objekts in Bezug auf das andere ist. Avicenna nimmt das beliebte aristotelische Beispiel mit dem selbst-heilenden Arzt und erklärt, dass es in diesem Fall um zwei Potenzen geht: Eine aktive Potenz des Heilenden und eine passive Potenz des Geheilten. In beiden Fällen geht es um eine Potenz im Sinne des Prinzips der Veränderung, welches der Veränderung vorausgehen muss4 Vgl. Avicenna, Genesung, Metaphysik = Avicenna. al-Shifāʾ, al-Ilāhiyyāt, 131.8–13 . Damit der Arzt sich selbst heilen kann, muss er sowohl eine Potenz, eine Fähigkeit, zur Heilung haben, als auch etwas besitzen, was geheilt werden kann. Die beiden Potenzen sind die Prinzipien der Veränderung, nämlich der Heilung, der sich der Arzt unterzieht. Dieser aristotelischen Analyse fügt Avicenna eine weitere Erklärung des Begriffes der Potentialität hinzu, die sich nicht unmittelbar als aristotelisch auffassen lässt. Man verbinde – so Avicenna – das Konzept der Potentialität mit jenem der Möglichkeit:

[T1] So nannten sie dasjenige, wessen Existenz im Bereich der Möglichkeit (imkān) ist, das „potentiell Existierende“. Sie nannten die Möglichkeit, dass [ein Ding] etwas empfängt und bewirkt wird, „die passive Potenz“.5 Avicenna, Genesung, Metaphysik = Avicenna. al-Shifāʾ, al-Ilāhiyyāt, 131.16–17 .

Avicenna schlägt vor, den Begriff der Potentialität mithilfe des Begriffes der Möglichkeit zu erklären. Der Arzt besitzt die Potenz zu heilen und geheilt zu werden, weil man von ihm wahrhaftig aussagen kann: „Der Arzt kann heilen“ und „Der Arzt kann geheilt werden“. Obwohl diese Interpretation vom aristotelischen Konzept der Potentialität von einigen modernen Interpreten eventuell willkommen wäre, ist sie in Bezug auf Aristoteles‘ Analyse der Potentialität in Met. Θ.7 durchaus problematisch.6 dazu Frede, „Potentiality in Aristotle’s Metaphysics Theta“, S. 177 Kritik an Bonitz . Avicenna begründet seine Interpretation der Potentialität im Sinne der Möglichkeit durch die Idee, dass die Verwirklichung der Potentialitäten nicht notwendig ist.7 Avicenna, Genesung, Metaphysik = Avicenna. al-Shifāʾ, al-Ilāhiyyāt, 131.13–14 . Obwohl der Arzt beide erwähnte Potenzen hat, ist es immer noch möglich, dass er durch die Krankheit stirbt, falls er sich willkürlich dafür entscheidet, sich selbst nicht zu heilen. Die Idee der Potentialität beinhaltet also die Idee der Nicht-Notwendigkeit. Dem könnte man noch hinzufügen, dass die Potentialität offenbar auch die Idee der Nicht-Unmöglichkeit miteinbezieht. Die intuitive Grundbedeutung der Potentialität ist jene der Fähigkeit. Es ist dem Arzt nicht unmöglich, sich selbst zu heilen. Es ist nicht unmöglich, dass die Ziegelsteine zu einem Haus werden. Aristoteles gibt dieser Idee in seiner Kritik an den Megarikern in Met. Θ.3 eine zentrale Bedeutung:

[T2] Möglich/Vermögend (δυνατόν) aber ist dasjenige, bei welchem, wenn die Wirklichkeit dessen eintritt, dessen Vermögen (δύναμιν) ihm zugeschrieben wird, nichts Unmögliches eintreten wird. Ich meine z.B., wenn etwas vermögend ist zu sitzen, und es möglich ist (ἐνδέχεται), dass es sitze, so wird, wenn bei ihm das Sitzen wirklich stattfindet, nichts Unmögliches eintreten.8 Aristoteles, Aristotle’s Metaphysics, Met. Θ.3, 1047a24– 26 Übers. Bonitz mod.

Potentialität bedeutet also, dass es nicht unmöglich ist, dass ein Gegenstand etwas erleidet (passive Potenz), oder dass ein Akteur eine Handlung vollzieht (aktive Potenz). T2 könnte sogar der Abschnitt gewesen sein, der Avicenna zur Idee geführt hat, dass man die Potentialität im Sinne der Möglichkeit verstehen könnte (man beachte hingegen, dass Aristoteles eher die Möglichkeit mithilfe der Potentialität in diesem Abschnitt erklärt, und nicht umgekehrt9 vgl. Makin, Aristotle, Metaphysics, S. 72–74. Wie dem auch sei, umfasst die Potentialität beide Ideen der Nicht-Notwendigkeit und der Nicht-Unmöglichkeit, was als Resultat die zweiseitige Möglichkeit, die Kontingenz ergibt: „Der Arzt heilt sich kontingenterweise“ bedeutet, dass er potentiell heilender und geheilter ist. Die Aussage, dass die Ziegelsteine zu einem Haus werden können, aber nicht müssen, wäre dann mit der Aussage gleichbedeutend, dass die Ziegelsteine potentiell ein Haus sind, bzw. über eine Potenz verfügen, zu einem Haus zu werden.

Beweis der zugrundeliegenden Materie

Wie Shihadeh10 Shihadeh, Doubts on Avicenna: A Study and Edition of Sharaf al-Dīn al- Masʿūdī’s Commentary on Ishārāt. bereits bemerkt hat, wird diese eher problematische Verbindung zwischen Potentialität und Möglichkeit für den zweiten Teil des Kapitels über die Potentialität aus dem Buch der Genesung ganz zentral. Nach einer langen Diskussion über das Verhältnis zwischen dem Willen und der Potentialität, die für unsere Zwecke hier irrelevant ist, geht Avicenna zu einem Thema über, welches in Aristoteles‘ Abhandlung zur Potentialität in Met. Θ abwesend ist. Dieses Thema wurde bereits im letzten Teil des Titels des Kapitels angekündigt: „Die Etablierung der Materie für jedes entstandene Ding“. Avicennas Absicht in diesem Teil des Kapitels ist es, zu beweisen, dass es bei der Entstehung e eines jedweden vergänglichen Dinges eine Materie zugrunde liegen muss, in der die Potentialität für die Existenz dieses Dinges zu verorten ist. Im Gegensatz dazu, wenn es um eine immaterielle Substanz geht, darf diese Substanz nicht entstanden sein, denn es wird ihrer Entstehung keine zugrundeliegende Materie vorausgehen, in der die Potentialität für die Existenz dieser Substanz zu verorten wäre.

Avicennas Beweis stützt sich auf das Verständnis der Potentialität im Sinne der Möglichkeit:

[T3] Jedes Ding, welches entstanden ist, nachdem es nicht da war, muss unbedingt über eine [zugrundeliegende] Materie verfügen. Denn jedes entstehende Ding muss vor seiner Entstehung in Bezug auf seine Existenz an sich möglich sein. Wenn seine Existenz an sich unmöglich gewesen wäre, dann wäre es nicht entstanden. Die Möglichkeit seiner Existenz besteht nicht darin, dass ein Handelnder eine Fähigkeit dazu hat, [dieses Ding zu erschaffen]. Vielmehr hat der Handelnde keine Fähigkeit dazu, wenn es an sich nicht möglich ist. […]

[140.7] Die Existenz von jedem entstehenden Ding ist vor seiner Entstehung entweder möglich oder unmöglich. Wenn sie unmöglich ist, dann existiert es nicht. Wenn sie möglich ist, dann geht die Möglichkeit seiner Existenz und die Tatsache, dass es möglich ist, [seiner Entstehung] voraus. Die Möglichkeit seiner Existenz muss dann entweder etwas Existentes oder Nicht-Existentes sein. Sie konnte nicht-existent nicht sein. Sonst wäre die Möglichkeit seiner Existenz [seiner Entstehung] nicht vorausgegangen. Die Möglichkeit seiner Existenz ist also etwas Existentes. Alles, was existiert, entweder subsistiert in einem Subjekt oder subsistiert in keinem Subjekt. Jedoch hat alles, was in keinem Subjekt subsistiert, eine eigene Existenz, gemäß welcher es ein Relatum nicht sein darf. Im Gegensatz dazu besteht die Möglichkeit der Existenz in der Relation zu demjenigen, dessen Existenz sie die Möglichkeit ist. Die Möglichkeit der Existenz ist also keine Substanz, die in keinem Subjekt ist, sondern sie ist in einem Subjekt, bzw. ein Akzidens eines Subjekts. Wir nennen die Möglichkeit der Existenz die Potentialität der Existenz.

Wir nennen den Träger der Potentialität der Existenz, in welchem die Potentialität der Existenz des Dinges ist, das Subjekt, die Erste Materie (hayūlā), oder die Materie (mādda) und auf viele anderen Weisen. Die Materie geht also jedem entstandenen Ding voraus.11 Avicenna, Genesung, Metaphysik = Avicenna. al-Shifāʾ, al-Ilāhiyyāt, 139.11–17 .

Die Grundidee dieses Beweises ist es, dass es vor der Entstehung eines Dinges möglich sein muss, dass dieses Ding entsteht. Avicenna schlägt eine neue Entität für die Untersuchung vor: „Die Möglichkeit von F“. Beispielsweise, wenn ein Tisch gebaut wird, muss seiner Entstehung „die Möglichkeit der Existenz des Tisches“ vorausgehen. Avicenna fragt nach dem ontologischen Status dieser Entität, die vor der Entstehung von F gegeben sein muss. Zunächst möchte er zurückweisen, dass „Die Möglichkeit von F“ mit der Fähigkeit einer handelnden Person, die das F hervorbringen kann, gleichzusetzten wäre. Man könnte nämlich sagen, dass die Möglichkeit, dass ein Tisch entsteht, mit der Fähigkeit des Tischlers identisch ist, den Tisch zu produzieren. Avicenna erwidert, dass erst nachdem der Tisch an sich möglich ist, der Tischler seine Fähigkeit ausüben kann. Der Tischler mag wohl eine Fähigkeit haben, den Tisch zu produzieren, wenn aber der Tisch an sich unmöglich ist, dann kann der Tischler nichts ändern. Und umgekehrt: Es ist möglich, dass es keinen Tischler in der Welt gibt, der den Tisch produzieren könnte, aber der Tisch an sich immer noch möglich ist. In anderen Worten, es muss einen Gegenstand geben (tatsächlich das Holz des Tisches), auf den der Tischler seine Kraft ausübt, und der zunächst die Existenz des Tisches an sich erlauben kann. Man beachte, dass Avicenna ganz ausdrücklich annimmt, dass es in seinem Argument um die an-sich-Möglichkeit geht; also, ob der Tisch an sich möglich ist.

Im nächsten Teil des Arguments kehrt sich Avicenna zum Status der Möglichkeit der Existenz des Dinges zurück. Zunächst hebt er wieder hervor, dass es diese Möglichkeit überhaupt geben muss. Dies ist das Kernstück seiner Argumentation um die Frage herum, ob die Möglichkeit etwas ist oder eher ein Nichts (etwas existentes oder nicht-existentes). T3 stellt leider keine ausführliche Argumentation dafür vor, dass die Möglichkeit von F eine existierende Entität vor der Entstehung der F sein muss. Wir finden die Argumentation hingegen in einem früheren Abschnitt, in dem Avicenna die Entstehung der immateriellen Wesen zurückweist. Da heißt es, dass wenn es die Möglichkeit von F vor der Entstehung von F nicht gegeben hätte, wäre die Entstehung von F nicht möglich gewesen. Der Schluss ist also: keine Möglichkeit => Unmöglichkeit. Da das Ding aber vor seiner Existenz möglich sein muss, musste es seine Möglichkeit davor als eine Entität geben.12 vgl. Avicenna, Genesung, Metaphysik = Avicenna. al-Shifāʾ, al-Ilāhiyyāt, page 136.14– 15 .Vgl. Marmura, Avicenna, Genesung, Metaphysik = Avicenna. al-Shifāʾ, al-Ilāhiyyāt, 136.14– 15.

Was ist es für eine Entität, die Möglichkeit der Existenz von F vor der Entstehung von F? Avicenna, als guter Aristoteliker, nimmt nur zwei Arten von Entitäten an: Substanzen und Akzidentien. Substanzen sind ontologisch unabhängige Entitäten, Akzidentien hingegen inhärieren in Subjekten, von denen sie abhängen. Avicenna weist die Option zurück, dass die Möglichkeit von F eine Substanz sein darf. „Die Möglichkeit von F“ ist offenbar eine Relation, die in Bezug auf F ausgesagt wird. Wenn aber die Möglichkeit von F vor der Entstehung von F eine Substanz wäre, dann könnte sie keine Relation in Bezug auf F sein. Laut Avicenna, wenn etwas eine Substanz ist, dann verbleibt es Substanz, bzw. mutatis mutandis ein Akzidens.13 Benevich, „Fire and Heat: Yaḥyā b. ʿAdī and Avicenna on the Essentiality of Being Substance“. Die Möglichkeit von F ist also ein Akzidens, welches in einem Subjekt inhärieren muss. Dieses Subjekt ist genau die zugrundeliegende Materie, deren Notwendigkeit Avicenna mit dem Argument aus T3 beweisen möchte.

Bevor also ein Tisch entsteht, muss es eine zugrundeliegende Materie (Holz) geben, in der die Möglichkeit inhäriert, dass dieser Tisch entstehen kann. Diese inhärierende Möglichkeit ist nun genau die Potentialität, wie Avicenna am Ende von T3 erklärt. Es war deswegen für Avicenna wichtig, den Begriff der Potentialität mit dem Begriff der Möglichkeit zu verbinden. Die Potentialität von F ist die Möglichkeit von F, bevor F entstanden ist. Diese Potentialität muss von einem Zugrundeliegenden ausgesagt werden, welches die Materie ist.

Dieses Argument wurde in der späteren Tradition sehr bekannt und im Laufe der kommenden drei Jahrhunderte unaufhörlich diskutiert. So hat Shihadeh14 Shihadeh, Doubts on Avicenna: A Study and Edition of Sharaf al-Dīn al- Masʿūdī’s Commentary on Ishārāt.Shihadeh, Doubts on Avicenna: A Study and Edition of Sharaf al-Dīn al- Masʿūdī’s Commentary on Ishārāt. die frühe Etappe der Kritik dieses Arguments im 12. Jh. analysiert. Ich fokussiere mich hingegen im Weiteren auf die spätere Etappe im 13. Jh. Hier war das Argument genauso gut bekannt. Ich führe die Version des Arguments von einem Autor des späten 13. Jhs., Šahrazūrī an:

[T4] Alle Dinge sind entweder ewig oder entstanden. Es muss jedem entstandenem Ding eine Möglichkeit und ein Subjekt für diese Möglichkeit vorangehen. Wenn das entstandene Ding notwendig wäre, dann wäre es nicht nicht-existent, [bevor es entstanden ist]. Wenn es doch unmöglich wäre, dann könnte es nicht existieren. Es verbleibt also, dass jedes entstandene Ding vor seiner Existenz möglich ist.

[A] Die Möglichkeit des entstandenen Dinges ist entweder mit seiner Essenz/mit ihm selbst identisch oder nicht. Sie kann mit seiner Essenz aus unterschiedlichen Gründen identisch nicht sein: (1) Die Möglichkeit wird mit derselben Bedeutung von diesem entstandenen Ding und von anderen Dingen ausgesagt. Wenn aber die Möglichkeit mit der Essenz des entstandenen Dinges identisch wäre, dann könnte es nicht der Fall sein. Sonst wäre seine Essenz mit der Essenz der anderen Dinge identisch. Dies ist ein Unsinn. (2) Wir begreifen die Essenz des entstandenen Dinges zunächst und erst dann, ob es möglich ist. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Möglichkeit mit seiner Essenz nicht identisch ist. (3) Die Möglichkeit des entstandenen Dinges muss vor seiner Existenz und Entstehung existent sein. Seine Essenz ist aber vor seiner Existenz weder vorhanden noch entstanden. Seine Möglichkeit ist also mit seiner Essenz nicht identisch.

[B] Die Möglichkeit [des entstandenen Dinges] muss entweder mit seiner Nicht-Existenz, [bevor es entstanden ist], identisch sein oder nicht sein. Es kann aber mit seiner Nicht-Existenz nicht identisch sein. Denn die Nicht-Existenz eines Dinges mag auch die Unmöglichkeit seiner Existenz [bedeuten], jedoch kann die Möglichkeit eines Dinges die Unmöglichkeit seiner Existenz nicht [bedeuten]. Es folgt aus dem zweiten Satz, dass die Möglichkeit eines entstandenen Dinges mit seiner Nicht-Existenz, [bevor es entstanden ist], nicht identisch ist.

[C] Wenn also die Möglichkeit eines entstandenen Dinges weder mit seiner Essenz selbst noch mit seiner Nicht-Existenz identisch ist, dann ist sie entweder mit der Fähigkeit des Schöpfers dieses entstandenen Dinges identisch oder nicht. Jene Möglichkeit kann aber mit der Fähigkeit des Schöpfers des Dinges nicht identisch sein; denn die Fähigkeit, das Ding zu erschaffen, setzt voraus, dass das Ding an sich selbst möglich ist. Man sagt, dass jemand eine Fähigkeit dazu hat, ein Ding zu erschaffen, nur wenn dieses Ding an sich selbst möglich ist. Wenn es an sich nicht möglich wäre, dann hätte niemand eine solche Fähigkeit. […] Wisse also, dass wenn etwas entstanden ist, dann ist seine Möglichkeit vor seiner Entstehung vorhanden; und diese ist weder mit seiner Essenz noch mit seiner Nicht-Existenz noch mit der Fähigkeit des Schöpfers identisch.

[D] Diese Möglichkeit kann aus unterschiedlichen Gründen nicht eine selbst-subsistieren Natur sein. (1) Das Selbst-Subsistente braucht kein Inhärenz-Subjekt. Man kann sich nicht vorstellen, dass es überhaupt inhäriert. Jedoch kann alles, was nicht inhärieren kann, kein ein Attribut sein; [die Möglichkeit ist aber ein Attribut]. (2) Die Tatsache, dass das Selbst-Subsistente einem Ding zugeschrieben ist, ist seiner Zuschreibung einem anderen Ding nicht primär. […] Die Möglichkeit also ist nicht selbst-subsistent, sondern sie braucht ein Subjekt, in dem sie subsistieren würde.

[E] Die Tatsache, dass die Möglichkeit in einem Subjekt ist, bedeutet, dass dieses Ding in ihm in potentia ist. Beispielsweise, kann Wasser zu Luft werden. Somit ist es klar geworden, dass jedem entstandenen Ding eine Möglichkeit und ein Subjekt, indem diese Kontingenz inhäriert, vorausgehen müssen.15 Šahrazūrī, „Baum Der Metaphysik = Al-Šahrazūrī, Šams al-Din. Rasāʾil al-Šaǧara al-Ilāhiyya Fī ʿulūm al-Ḥaqāʾiq al-Rabbaniyya“, 3.185.14–3.187.8.

Avicennas Argument wurde nach zwei Jahrhunderten fast ohne wesentliche Veränderungen überliefert. Die Struktur des Argumentes sieht folgenderweise aus (die rote Option ist immer die richtige):

Die Grundidee bleibt dieselbe. Die Möglichkeit von F muss vor der Entstehung von F eine Entität an sich sein. Diese Entität ist ein Akzidens und braucht ein Subjekt, nämlich die zugrundeliegende Materie. Man beachte aber, dass einige Prämissen hinzugefügt, bzw. verbessert wurden. Zunächst wird der ganze A-Abschnitt hinzugefügt. Šahrazūrī argumentiert hier dafür, dass die Möglichkeit von F mit F selbst nicht identisch ist. Er verwendet dafür die intensionale Analyse. Die Möglichkeit wird als Begriff von mehreren Dingen ausgesagt, und darf deswegen mit der Bedeutung von F nicht identisch sein. Šahrazūrī schlussfolgert aus dem Unterschied zwischen zwei Bedeutungen (die der Möglichkeit und jene von F) den Unterschied zwischen zwei Objekten: Die Möglichkeit von F und F selbst. Wenn man mit dieser intensionalen Analyse nicht zufrieden ist, dann schlägt Šahrazūrī als nächstes die extensionale vor: Es gibt die Möglichkeit von F vor dem F, sie sind also extensional unterschiedlich und nicht gleich.

Der B-Abschnitt ist wiederum eine Verbesserung in Bezug auf Avicennas ursprüngliche Argumentation. Wir haben gesehen, dass Avicenna dafür argumentiert, dass die Möglichkeit von F etwas und nicht eher ein Nichts ist, anhand der Idee, dass F sonst unmöglich wäre. Der Schluss aber von der Abwesenheit der Möglichkeit auf die Präsenz der Unmöglichkeit ist ein logischer Fehler der Operation der sog. obversion. „A ist nicht B“ heißt nicht unbedingt „A ist Nicht-B“. Kurz gefasst liegt der Grund dafür in der Abwesenheit des existentiellen Imports über das A im ersten Negations-Satz (hier muss nicht A geben), und die Präsenz des existentiellen Imports im zweiten Affirmations-Satz (es muss A geben, damit es Nicht-B sein kann). Diese sind also unterschiedliche Sätze, und „ist nicht möglich“ ist mit dem „ist unmöglich“ nicht gleich (obwohl der Unterschied im Deutschen eher verloren geht). Wie dem auch sei, Šahrazūrī schlägt eine andere Taktik vor. Wenn es vor der Entstehung von F nur das Nichts gegeben hätte, dann gäbe es keinen Unterschied, ob F überhaupt möglich gewesen wäre oder nicht. Die Nicht-Existenz als solche lässt es offen, ob Entstandenes notwendig unmöglich kontingent; Kontingenz ist: mit der Fähigkeit des Schöpfers identisch als solche da selbst-subsistent in einem Subjekt mit der Essenz identisch mit der Nicht-Existenz identisch F möglich ist oder unmöglich. Wir wollen hingegen die Möglichkeit von F vor seiner Existenz postulieren. Die Nicht-Existent alleine genügt also für eine solche Postulierung der Möglichkeit von F nicht.

Der Rest des Argumentes ist mit Avicennas Argument mehr oder weniger identisch. Die Möglichkeit von F ist zwar eine Entität vor der Entstehung von F, sie ist aber keine Substanz. Sie ist also ein Akzidens und braucht ein Subjekt. Dieses Subjekt ist die zugrundeliegende Materie. Beispielweise, wenn Luft aus Wasser entsteht, muss es zunächst die Erste Materie geben, in der die Möglichkeit der Luft inhäriert, die dann die Form de r Luft annimmt und die Form des Wassers verliert. Diese Möglichkeit ist die Potentialität für die Existenz der Luft.

An-sich-Möglichkeit und sekundäre Intelligiblien

Avicennas Argument hat – in allen möglichen Formen – viel Kritik in der post-avicennischen Philosophie erfahren. Wie auch immer man die einzelnen Prämissen verbessern möchte, gibt es ein Problem mit dem Hauptstück des Arguments, der an-sich Möglichkeit von F. Die an-sich-Möglichkeit von F sollte heißen: „F ist möglich“ oder „F ist möglicherweise existent“ oder „Es kann F geben“. Avicenna entwickelt sein Argument anhand dieser Art der Möglichkeit. Das Problem mit dieser Art der Möglichkeit ist aber, dass sie offenbar die Präsenz eines materiellen Subjekts in dem diese Möglichkeit inhärieren könnte, keinesfalls impliziert. Dieses Problem wurde von einem Autor des 13. Jh., Ḥillī, folgenderweise aufgefasst:

[T5] Wisse, dass dieses Argument offensichtlich nicht gültig ist. Der Grund für seine Ungültigkeit ist es, dass man die rein konzeptionellen Ausdrücke anstelle der reellen [Attribute] in Betracht zieht. Erklärung: Attribute teilen sich auf diejenigen, die sowohl im Verstand als auch extramental existieren, und diejenigen, die nur im Verstand existieren. Ihre Realität besteht nur darin, dass sie im Verstand sind. Als Beispiele führe man Eine-Species-Sein, die vom Menschen prädiziert wird, oder die Partikularität, die von Zayd prädiziert wird. Es verhält sich auf dieselbe Weise mit allen sekundären Intelligiblien, wie Etwas-Sein laut ihrer Meinung. […]

Ihre Behauptung, dass wir von einem Ding urteilen, dass es extramental möglich ist, und dies von einem nur im Verstand möglichen Ding unterscheiden, so dass der Grund für diese Unterscheidung die extramentale Existenz der Möglichkeit wäre, ist falsch. Denn wir haben erklärt, dass wenn man von einem extramentalen Ding etwas aussagt, impliziert es nicht, dass dieses mögliche [Prädikat extramental] existiert. Beispielsweise, sagen wir von dem existierenden Zayd aus, dass er etwas Partikuläres ist, obwohl die Partikularität zu den rein konzeptionellen Ausdrücken gehört. Vielmehr ist der Grund für die Unterscheidung das Betrachten der Existenz des Dinges bald in der extramentalen Realität und bald im Verstand.16 Ḥillī, „Geheimnisse = Al-Ḥillī, ʿAllāma. al-Asrār al-Ḫafiyya Fī l-ʿulūm al-ʿaqliyya“, page 491.9–20 .

Ḥillīs Widerlegung von Avicennas Argument stütz sich auf die Unterscheidung zwischen ganz normalen Ideen, die eine Entsprechung in der Welt haben, und reinen Konzepten, die keine solche Entsprechung haben. Diese Unterscheidung wurde im 12. Jh. von mehreren Autoren entwickelt, ihr Hauptvertreter war aber Šihāb al-Dīn al-Suhrawardī. Die Grundidee dieser Unterscheidung ist, dass es zwei Arten von Ausdrücken gibt. Die erste Art ist ganz normal. Dazu gehören solche Ausdrücke wie „Mensch“, „Weiße“, „Tisch“ usw. Diese Ausdrücke bezeichnen etwas Reelles in der Welt. Wenn ich „Dies ist ein Mensch“ sage, verweise ich auf die Menschheit, die einem konkreten Mensch zugehört. Im Gegensatz dazu gibt es die sogenannten sekundären Intelligiblien. Sie werden so genannt, weil sie von den primären Intelligiblien – d.h. der ersteren Gruppe – ausgesagt werden. Sie bezeichnen keine Gegenstände in der extramentalen Welt. Dazu gehört z.B. die Partikularität. Man sagt über Zayd, bzw. Sokrates, dass er ein Individuum, etwas Partikuläres ist. Jedoch würde niemand behaupten, dass die Partikularität ein reelles Attribut von Sokrates ist, wie etwa die Weiße. Vielmehr wird die Partikularität über die bereits abstrahierte Idee von Sokrates ausgesagt. Wie Ḥillī im zweiten Teil von T5 erklärt, bedeutet die Tatsache, dass die sekundären Intelligiblien von den primären ausgesagt werden, nicht, dass die Wahrheitsmacher solcher Prädikationen nur im Verstand sind. Es ist der existierende Sokrates, das konkrete Individuum, welches vor mir steht, der die Proposition „Sokrates ist etwas Partikuläres“ wahr macht. Dies unterscheidet sich von der Proposition „Mensch ist ein Konzept“, die durch die Präsenz des Konzeptes des Menschen im Verstand wahr gemacht wird. Trotzdem bedeutet es nicht, dass die Partikularität dem Sokrates extramental zugehört. Die sekundären Intelligiblien zeichnen sich dadurch aus, dass sie nur von den Intelligiblien prädiziert werden können. Man rechnet dazu „Einheit“, „Existenz“, „Etwas-Sein“, „Universalität“ et cetera.17 Zu sekundären Intelligiblen s. Wisnovsky, „Essence and Existence in the Eleventh- and Twelfth-Century Islamic East (Mašriq): A Sketch“; Benevich, Essentialität Und Notwendigkeit: Avicenna Und Die Aristotelische Tradition. Es war bereits Suhrawardī, der vorgeschlagen hat, auch die Möglichkeit, bzw. alle Modalitätsausdrücken zu den sekundären Intelligiblien zu rechnen.18 Suhrawardī, „Wege = Al-Suhrawardī, Šihāb al-Din. al-Mašāriʿ Wa-l-Muṭāraḥāt“, S. 343. Nun folgt Ḥillī seinem Vorschlag.

Es liegt ziemlich nahe, dass die Möglichkeit der Existenz kein reelles Attribut der Dinge ist, sondern von den abstrahierten Konzepten ausgesagt wird. Wenn man „Es kann Tische geben“ oder „Ein Tisch ist möglicherweise existent“ sagt, wird etwas vom Konzept des Tisches ohne Bezug auf die extramentale Realität ausgesagt. In anderen Worten, wird gemeint, dass das Konzept des Tisches eine Instanziierung haben kann. Ob diese Sätze wahr oder nicht wahr sind, wird durch den intensionalen Gehalt des Konzeptes des Tisches wahr. Es kann Tische geben, weil es nichts Widersprüchliches am Konzept des Tisches gibt. Man erinnere sich daran, dass Avicenna in seinem Argument besonders hervorgehoben hat, dass es um die an-sich-Möglichkeit von F geht. Wir müssen also beurteilen ob die Tische an sich, abgesehen von allen möglichen Weltkonstellationen, möglich sind. Gibt es dafür einen anderen Weg, außer zu analysieren, ob das Konzept des Tisches seine Instanziierung erlaubt? Als Gegenbeispiel könnte man nämlich die runden Quadrate nehmen. Die Proposition „Runde Quadrate sind möglicherweise existent“ ist nicht wahr, weil das Konzept der Rundheit mit dem Konzept der Quadratur nicht vereinbar ist. Man kann natürlich ein Essentialist sein und behaupten, dass die Proposition „Tische sind möglicherweise existent“ wahr ist, weil die Essenz des Tisches instanziierbar ist. Parallel dazu ist „Runde Quadrate sind möglicherweise existent“ nicht wahr, weil die Essenz der Rundheit mit der Essenz der Quadratur nicht kompatibel ist. Selbst in diesem Fall aber, kann man nicht sagen, dass die Möglichkeit der Existenz ein reelles Attribut der reellen Essenzen ist. Denn es gibt diese Essenzen noch nicht: Obwohl es an sich Tische gibt, weil ihre Essenz instanziierbar ist, kann es gleichzeitig der Fall sein, das es keine Tische tatsächlich gibt. Wo befinden sich dann die Wahrheitsmacher dieser Propositionen? Avicennas Antwort war: Im Verstand.19 Vgl. Black, „Mental Existence in Thomas Aquinas and Avicenna“. Die Essenzen sind also im Verstand, und es werden unterschiedliche Aussagen über diese Essenzen gemacht. Hierbei kehren wir zum Modell der sekundären Intelligiblien zurück: Die Möglichkeit der Existenz ist ein Attribut der Essenz im Verstand. Sie ist aber kein reelles Attribut der extramental vorhandenen Essenz. Es gehört nicht dem instanziierten Tisch vor mir, dass er möglicherweise existent ist, sondern der Essenz des Tisches, insofern ich sie mir vorgestellt habe. Wenn man also die Möglichkeit auf diese Weise auffasst, wird klar, dass Avicennas Argument nicht funktioniert.

Wenn man sich fragt, ob die Tische an sich möglich sind, hat das mit der Präsenz eines weiteren Subjekts in der extramentalen Welt, und den Potentialitäten, die diesem Subjekt gehören, nichts zu tun. Vielmehr bezieht sich die ansich-Möglichkeit der Tische auf das Konzept, bzw. die Essenz des Tisches alleine.

Unterscheidung zwischen Möglichkeit und Potentialität

Diese Kritik, die in einer leicht veränderten Form seit dem 12. Jh. Bestand hatte,20 Vgl. Shihadeh, Doubts on Avicenna: A Study and Edition of Sharaf al-Dīn al- Masʿūdī’s Commentary on Ishārāt. war der Grund für die Entwicklung einer ganz wichtigen Unterscheidung zwischen Möglichkeit und Potentialität. Man behauptete, dass es in Avicennas Argument nicht um die an-sich-Möglichkeit ginge, sondern um eine dispositionelle Potentialität, die ein vollkommen anderes Konzept ist. Wir finden in dem uns schon bekannten Šahrazūrī aus dem Ende des 13. Jhs. folgende Darstellung dieser Unterscheidung:

[T6] Wenn sie in ihren Büchern gesagt haben, dass die Materie und die Möglichkeit jedem entstandenen Ding vorausgehen müssen, meinten sie mit der Möglichkeit die nächste Disposition (istiʿdād) und nicht die spezifische Möglichkeit [d.h. die Kontingenz], die der Notwendigkeit und der Unmöglichkeit entgegengesetzt ist.

[A] Die Möglichkeit ist ein notwendiges Attribut aller möglichen Dinge, abgesehen davon, ob sie immateriell oder materiell sind.

[B] Die Möglichkeit entscheidet die Existenz des Dinges nicht. Im Gegenteil muss die nächste Disposition die Existenz des Dinges entscheiden.

[C] Dispositionen unterscheiden sich in Bezug auf die Nähe und Entfernung. Denn die Disposition des Samens für die menschliche Form ist nicht gleich der Disposition der Pflanzen dazu. […] Es gibt an den Dispositionen diejenigen, die am nächsten sind, und diejenigen, die in der Mitte sind. Jede Art besteht aus mehreren Stufen. Im Gegenteil hat die spezifische Möglichkeit [d.h. die Kontingenz] keine Nähe oder Entfernung in Bezug auf die Existenz eines Dinges bzw. seine Nicht-Existenz. Vielmehr ist die Möglichkeit der Existenz und Nicht-Existenz in den kontingenten Dingen gleichzeitig und aus derselben Perspektive.

[D] Es können mehrere Dinge für eins und dasselbe Ding, aus derselben Perspektive gesehen, unter unterschiedlichen Bedingungen möglich sein. Denn die Erste Materie hat nur einen Aspekt, nämlich Empfänglichkeit. Jedoch ist eine unendliche Menge der Dinge für sie an sich unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Bedingungen möglich. Alles, was für sie möglich ist, ist [möglich] nicht nur unter der Berücksichtigung einer Bedingung. Wenn wir jene Bedingung außer Acht lassen, dann ist dasjenige, was unter der Bedingung möglich war, an sich entweder notwendig oder unmöglich oder möglich. Beide ersteren Optionen sind unmöglich. Sonst sollte es dann mitsamt der Existenz eines Dinges möglich werden, so dass die Notwendigkeit oder die Unmöglichkeit zur Möglichkeit verwandeln, und dies ist ein Unsinn. Es verbleibt also, dass es nicht notwendig in Bezug auf die Existenz und Nicht-Existenz gemäß dem Empfänger selbst ist. Es ist also an sich möglich. Die Bedingungen bringen also nur die Realisierung der Existenz [näher] nicht aber der Möglichkeit. Im Gegenteil entscheidet die Disposition die Existenz einer großen aber endlichen Menge der Dinge und sie kann nur unter unterschiedlichen Bedingungen entstehen; so dass wenn wir jene Bedingungen außer Acht lassen, das Eintreffen der Disposition nicht möglich ist.21 Šahrazūrī, „Baum Der Metaphysik = Al-Šahrazūrī, Šams al-Din. Rasāʾil al-Šaǧara al-Ilāhiyya Fī ʿulūm al-Ḥaqāʾiq al-Rabbaniyya“, 3.180.17–181.18.

Šahrazūrī unterscheidet zwischen der spezifischen Möglichkeit und der Disposition. Unter Disposition meint er die Potentialität, d.h. dass ein Subjekt die Potenz für F hat, bzw. in potentia F ist (das ganze Kapitel ist eigentlich über die Potentialität und es wird früher erklärt, dass die Potentialität die Disposition heißt). Unter der spezifischen Möglichkeit meint er die Kontingenz, d.h. die zweiseitige Möglichkeit: S ist weder notwendig noch unmöglich P. Šahrazūrī kennzeichnet vier Hauptunterschiede zwischen der Möglichkeit und der Potentialität, die miteinander eng verbunden sind.

Der erste Unterschied besteht darin, dass die Möglichkeit von allem Möglichen ausgesagt werden kann. Disposition bezieht sich hingegen auf die entstehenden und vergehenden Dinge alleine. Nicht nur Tische, sondern auch die ewigen himmlischen Intellekte sind möglich. Es kann sie geben und es kann sie zugleich nicht geben. Selbst die Erste Materie ist ein kontingentes Ding, obwohl sie weder entsteht noch vergeht. In Avicennas metaphysischen System gibt es nur eine einzige notwendige Entität: Gott. Man könnte nun gegen Avicenna argumentieren: Falls jede Möglichkeit von F in einem weiteren Subjekt inhärieren muss, wie es aus T2 folgt, sollte dann die Möglichkeit der Existenz der Ersten Materie nicht einer weiteren zugrundeliegenden Materie gebrauchen? Nun kann man anhand Šahrazūrīs Unterscheidung zwischen der Möglichkeit und Potentialität eine Antwort geben. Zwar ist die Erste Materie an sich kontingent, aber es gibt keine Potentialität der Existenz der Ersten Materie, die ihrer Entstehung vorausgehen würde. Deswegen braucht die Erste Materie keine weitere zugrundeliegende Materie. Was nun die Möglichkeit ihrer Existenz betrifft, wird sie im Sinne einer sekundären Intelligiblie, die wir in der letzten Sektion gesehen haben, vom Konzept der Ersten Materie als solcher prädiziert. Diese Prädikation benötigt keine extramentale Entsprechung, wie wir es im Falle der Prädikation der Partikularität gesehen haben.

Der zweite Unterschied zwischen der Möglichkeit und der Potentialität betrifft die Verursachung. Diese wird durch den Begriff der Entscheidung (taraǧǧuḥ) ausgedrückt. Damit wird eine Metapher der Waage gemeint: Es ist für den Tisch möglich sowohl zu existieren, als auch nicht zu existieren. Die Waage der Möglichkeit ist ausbalanciert, es sei denn es kommt ein Faktor, z.B. die Handlung des Tischlers, die die Waage in die Richtung der Existenz neigen lässt. Šahrazūrī sagt also, dass die Möglichkeit an sich eine solche ist, dass sie dieses Entscheidungskriterium nicht sein kann. Im Gegenteil entscheidet die Potentialität die Sache zugunsten der Existenz von F. Dies sieht auf den ersten Blick problematisch aus. Wie kann die Potentialität von F die Ursache für die Existenz von F sein? Die Tatsache, dass das Holz in potentia ein Tisch ist, reicht auf keinen Fall dafür aus, dass ein Tisch aus dem Holz entsteht. Potentialität von F ist keine ausreichende Bedingung für die Existenz von F. Dieses Problem lässt sich durch Šahrazūrī’s mögliche Quelle lösen. Avicenna nämlich widmet im Kapitel über die Potentialität im Buch der Genesung eine große Aufmerksamkeit der Frage der Verursachung. So behauptet er im Teil über das Verhältnis zwischen dem Willen und der Potenz, dass die Präsenz des Willens zusammen mit der Potenz eine ausreichende Bedingung dafür sei, dass der Effekt zustande kommt.22 Avicenna, Genesung, Metaphysik = Avicenna. al-Shifāʾ, al-Ilāhiyyāt, 133.8–20. Im Falle der willenslosen Geschehnisse nimmt den Platz des Willens die Natur ein. 23Avicenna, Genesung, Metaphysik = Avicenna. al-Shifāʾ, al-Ilāhiyyāt, 134.5–8. In diesen Fällen, „wenn die [aktive] Potenz auf die passive Potenz trifft […], dann ist die Handlung notwendig“ 24 Avicenna, Genesung, Metaphysik = Avicenna. al-Shifāʾ, al-Ilāhiyyāt, 134.4–5.. Dadurch wird klar, warum das Holz nicht automatisch zum Tisch wird. Es fehlen nämlich die aktive Potenz des Tischlers und sein Willen zur Handlung. Wenn sie aber da sind, dann ist die Entstehung des Tisches notwendig, weil die vorhandenen Bedingungen dafür ausreichen. Für die natürlichen Geschehnisse gilt folgendes Beispiel: Wenn die befruchtete Eizelle in die Gebärmutter eintritt, hat es eine ausreichende Potenz dafür, dass es sich zu einem Embryo entwickelt. Deswegen entsteht daraus ein Embryo notwendigerweise.25 Dazu auch Kukkonen, „Potentiality in Classical Arabic Thought“, S. 107–108. Man kann diese Idee am besten mit dem modernen Verständnis der Potentialität und Dispositionen im Sinne der konditionellen Sätze vereinbaren. Unter der Erfüllung der Kondition (das Eintreten der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter) muss die Folgerung stattfinden (das Formen des Embryos). Die Idee der Möglichkeit beinhaltet diese Idee nicht. Die Tatsache, dass es für die befruchtete Eizelle möglich ist, sich zu einem Embryo zu entwickeln, bedeutet nicht, dass es unter gewissen Bedingungen dies tatsächlich tun wird.

Der dritte Unterschied zwischen der Möglichkeit und Potentialität betrifft die Graduierung. Ein Subjekt kann nicht mehr oder weniger „möglicherweise F“ sein. Es ist dafür entweder möglich oder nicht. Im Gegenteil kann es für die Entstehung von F entweder weniger oder mehr dispositioniert werden. Dieser Aspekt wurde insbesondere in der modernen Forschung hervorgehoben.26 Vetter, „From Potentiality to Possibility“. Šahrazūrī expliziert diesen Aspekt anhand einer weiteren Unterscheidung im D-Abschnitt. Es geht darum, dass die Möglichkeit abgesehen von jeglichen Bedingungen von den Dingen an sich gilt. Man nehme als Beispiel wiederum das befruchtete Ei. Es ist dafür unter der Bedingung des Eintretens in die Gebärmutter möglich, sich zu einem Embryo zu entwickeln. Die Logik der Möglichkeit besagt uns nun, dass es für das befruchtete Ei auch ohne diese Bedingung möglich sein sollte, sich zu einem Embryo zu entwickelt:

Wenn F für X unter der Bedingung Y möglich ist, dann muss es für X auch ohne Y möglich sein. Denn sonst wäre es für X an sich unmöglich. Wenn aber F für X an sich unmöglich ist, wie kann es für X unter der Bedingung Y möglich werden?

Wenn ich als solcher in meiner Essenz nicht fliegen kann, wie kann diese Essenz – egal unter welchen Bedingungen – dann zum Fliegen fähig werden? Die essentielle Unmöglichkeit kann in die Möglichkeit nicht umgewandelt werden. Dasselbe betrifft die Notwendigkeit.

Im Gegenteil hängen die Potentialitäten und Dispositionen mit den Bedingungen zusammen. Wenn sich das befruchtete Ei nur unter Bedingung des Eintretens in die Gebärmutter in den Embryo entwickelt kann, dann hat das Ei als solches diese Disposition, bzw. Potenz noch nicht. Man kann sich daran erinnern, dass bereits Aristoteles, ganz am Anfang der Geschichte der Theorie der Potentialität erklärt hat, dass die Potenzen im eigentlichen Sinne nur diejenigen Fähigkeiten sind, die von der Verwirklichung überhaupt nicht abstehen (Met. Θ.7). Es ist also nur das befruchtete Ei in der Gebärmutter, das im eigentlichen Sinne ein Embryo in potentia ist. Der Samen z.B. hat zwar eine Potenz zum Embryo zu werden, aber diese Potenz ist von der Verwirklichung weiter als die Potenz des befruchteten Eis entfernt. Es ist deswegen, dass man unterschiedliche Stufen der Potenz unterscheiden muss. Dieselbe Potentialität wie das befruchtete Ei hat der Samen nicht, obwohl es für beide gleich möglich ist, sich in einen Embryo zu entwickeln.

Realität der Potentialität

Wie hilft die Unterscheidung zwischen der Möglichkeit und der Potentialität für unsere Fragestellung? Die einstimmige Antwort im 13. Jh. darauf ist, dass Avicennas Argument die dispositionelle Potentialität und keine reine an-sich-Möglichkeit im Sinne hat. Deswegen funktioniert die Intuition, dass die an-sich-Möglichkeit in Bezug auf Konzepte oder nichtinstanziierte Essenzen gilt, gegen das Argument für die Vorexistenz der Materie nicht. Denn man soll nun behaupten, dass die dispositionelle Potentialität doch einen extramentalen Gegenstand braucht. Avicennas Argument würde dann kurz gefasst heißen, dass es immer eine zungrundeliegende Materie für die entstehenden Dinge geben muss, weil es der Entstehung von F vorausgeht, dass es eine ausreichende Disposition für F gibt; diese Disposition muss verortet werden; sie inhäriert in einem Substrat. Die an-sich-Möglichkeit von F kommt in diesem Argument überhaupt nicht in Frage. Löst aber die Unterscheidung zwischen der Möglichkeit und Potentialität alle Probleme?

Außer dem Haupteinwand, den wir in der 2. Sektion gesehen haben, gibt es mehrere Argumente, die gegen die Idee spezifisch ausgerichtet sind, dass die Möglichkeit ein reelles Attribut der Dinge ist. Ich führe hierbei nur zwei an:

[T7]

[I] Regress-Argument

Wenn die Möglichkeit existent wäre, dann wäre sie entweder notwendig oder möglich. Die erste Option ist absurd, weil die Möglichkeit ein Attribut von etwas anderem ist. Die zweite Option ist auch absurd, weil es dann eine [weitere] Möglichkeit für jene Möglichkeit geben sollte.27 Ṭūsī, „Kommentar Zu Avicennas Verweisen = Al-Ṭūsī, Naṣīr al-Dīn. Šarḥ al-Išārāt“, 3.664.2–3.

[II] Prioritäts-Argument

Wenn die Möglichkeit zu den reellen Dingen gehören würde, dann gäbe es eine unendliche geordnete Menge gleichzeitig. Die Konklusion ist falsch, also muss die Prämisse auch falsch sein. Dieser hypothetische Syllogismus wird folgenderweise erklärt:

[A] Die erste Materie kann eine unendliche Menge der Dinge empfangen. Die Empfänglichkeit der ersten Materie von einigen Dingen ist zweifelsohne mit ihrer Empfänglichkeit von den anderen nicht identisch. Es gäbe also eine unendliche Menge der Möglichkeiten in der Materie. Jedoch ist die Möglichkeit ein und dieselbe Natur, und ihr Inhärenz-Subjekt, d.h. die Erste Materie, ist auch ein und dasselbe. Es könnte also keine Unterscheidung zwischen den [unterschiedlichen Möglichkeiten/Empfänglichkeiten] geben.

[B] Man darf nicht erwidern, dass sich diese [Möglichkeiten/Empfänglichkeit] in Bezug auf die entsprechenden möglichen Dinge unterscheiden. Denn wir sagen: Ein reeller Unterschied darf nicht in Bezug auf die nicht-existenten Dinge Bestand haben. Wenn etwas keine Essenz/kein Wesen hat, wie kann man eines von dem anderen unterscheiden?28 Ḥillī, „Geheimnisse = Al-Ḥillī, ʿAllāma. al-Asrār al-Ḫafiyya Fī l-ʿulūm al-ʿaqliyya“, S. 492.5–21; vgl. Suhrawardī, „Wege = Al-Suhrawardī, Šihāb al-Din. al-Mašāriʿ Wa-l-Muṭāraḥāt“, S. 349–50 .

Beide Argumente richten sich gegen die Annahme, dass die Möglichkeit von F eine reelle Entität ist – die Grundannahme innerhalb von Avicennas Argument für das Vorausgehen der zugrundeliegenden Materie. Das erste Argument ist recht intuitiv. Wenn die Möglichkeit etwas Reelles wäre, dann wäre sie selbst eine Entität die an sich wiederum möglich ist (nur Gott ist eine notwendige Entität). Dann hätte sie eine nächste Möglichkeit und so weiter ad infinitum.

Das zweite Argument betrifft die Unterscheidung zwischen mehreren Möglichkeiten. Es ist nämlich für die Erste Materie möglich, alle Formen der Dinge zu empfangen.29 Avicenna, Genesung, Metaphysik = Avicenna. al-Shifāʾ, al-Ilāhiyyāt, 134.16-7: „Die Erste Materie ist alle Dinge in potentia". Wie wird dann die Möglichkeit von F von der Möglichkeit von Y als zwei Entitäten, die in die Erste Materie inhärieren, unterschieden? Sie haben nämlich dasselbe Wesen der Möglichkeit. Noch können sie durch ihr Subjekt (wie etwa zwei Attribute der Weiße, von denen eines dem Stuhl und das andere dem Tisch zugehört) unterschieden werden, weil sie zu ein und demselben Subjekt gehören, der Ersten Materie. Die intuitive Antwort hierbei wäre, dass sich die Möglichkeit von F und die Möglichkeit von Y durch ihre Bezüge unterscheiden: jeweils F und Y. Das sieht aber Ḥillī problematisch. Wenn es weder F noch Y noch gibt, wie können sich die entsprechenden Möglichkeiten in Bezug auf F und Y unterscheiden? Ich habe dieses Argument als „Prioritäts-Argument“ bezeichnet, weil dahinter das Problem steht, dass die Aktualität, die Verwirklichung, eine definitorische Priorität der Möglichkeit gegenüber hat. Es wurde nämlich bereits von Aristoteles in Met. Θ.8, 1049b12–17 erklärt, dass das Sehen in actu dem Sehen in potentia gegenüber in Bezug auf die Definition primär sei. Genauso sei die Aktualität der Potentialität gegenüber in Substanz primär.30 Aristoteles, Aristotle’s Metaphysics, Θ.8, 1050a4–10. Avicenna stimmte beiden Annahmen zu.31 Avicenna, Genesung, Metaphysik = Avicenna. al-Shifāʾ, al-Ilāhiyyāt, S. 141– 42.Wegen dieser Priorität von F gegenüber der Möglichkeit von F wird die Möglichkeit von F von der Existenz von F ontologisch und epistemologisch abhängig. Wie kann dann die Möglichkeit von F vor der Existenz von F da sein, obwohl sie vor der Existenz von F keinen Bezug auf F nehmen kann?

Dies wären die zwei stärksten Argumente gegen die Realität der Möglichkeit von F. Eine direkte Antwort auf beide wäre zu sagen, dass sie nur die an-sich-Möglichkeit betreffen, nicht aber die dispositionelle Potentialität. In anderen Worten kann man beide Argumente akzeptieren und einräumen, dass sie beweisen, dass die an-sich-Möglichkeit von F keine extramentale Entität ist. Wenn man sagt, dass F an sich möglich ist, macht man eine Prädikation im Verstand von einem Konzept, welches keine Entsprechung in der Welt haben müsste. Dies ist der Weg, den Šahrazūrī nimmt. Er stimmt nämlich zu, dass die Möglichkeit eine sekundäre Intelligiblie ist.32 Šahrazūrī, „Baum Der Metaphysik = Al-Šahrazūrī, Šams al-Din. Rasāʾil al-Šaǧara al-Ilāhiyya Fī ʿulūm al-Ḥaqāʾiq al-Rabbaniyya“, 3.222–23. Wir haben aber gesehen, dass Šahrazūrī zwischen der Möglichkeit und der Potentialität unterscheidet. Seine Lösung wäre also, das Ziel der beiden Argumente zu verschieben. Sie richteten sich gegen die Realität der Möglichkeit, und haben da Recht. Was aber die Potentialität betrifft, bleibt sie trotz dieser Argumente eine reelle Entität.

Es bleibt nun die Frage, ob diese Lösung befriedigend ist. Kann die dispositionelle Potentialität eine reelle Entität sein? Was macht sie im Vergleich zur Möglichkeit gegen beide Argumente immun? Kehren wir zurück zu unserem Beispiel mit der befruchteten Eizelle. Die Annahme wäre, dass die Potenz, dass dieses Ei zu einem Embryo wird, etwas Reelles im Ei ist. Sollte dann aber das Ei nicht eine weitere Potenz dafür haben, dass jene Potenz in ihm entsteht? Denn Avicennas Argument für das Vorausgehen der Potenz und der zugrundeliegenden Materie gilt von jedem Entstandenen Ding, einschließlich der entstehenden Potenzen.

Noch kann die Einführung der dispositionellen Potentialitäten das zweite Argument lösen. Das befruchtete Ei hat nämlich sowohl die Potenz zu einem Embryo zu werden, als auch zu zwei Embryos zu werden (im Falle, wenn es sich in zwei verteilt). Wie unterscheiden sich beide Potentialitäten? Eine reelle Unterscheidung zwischen zwei reellen Entitäten braucht reelle Unterscheidungsfaktoren. Diese sind die entsprechenden Verwirklichungen (ein Embryo oder zwei Embryos). Da es aber noch keine Embryos gibt, können beide Potenzen nicht tatsächlich unterschieden werden.

Es ist wegen dieser Schwierigkeiten, dass Ṭūsī, der wichtigste Apologet Avicennas im 13. Jh., selbst für die Potentialität nicht behauptet, dass diese eine reelle extramentale Entität, ein Attribut der Dinge außerhalb des menschlichen Verstandes ist. Zunächst stimmt er der Unterscheidung zwischen der Möglichkeit und der Potentialität zu. Einerseits gibt es die Potentialität (qūwa) die der Entstehung der Dinge vorausgeht und in einer zugrundeliegenden Materie inhäriert. Andererseits gibt es die an-sich-Möglichkeit der Dinge. Sie gilt in Bezug auf abstrakte Essenzen und benötigt keineswegs weiterer Subjekte.33 Ṭūsī, „Kommentar Zu Avicennas Verweisen = Al-Ṭūsī, Naṣīr al-Dīn. Šarḥ al-Išārāt“, 3.663.4–13. Ṭūsī sagt aber nicht, dass die Potentialität im Unterschied zur Möglichkeit ein reelles Attribut der Dinge ist. Er sucht einen anderen Weg:

[T8] Die Möglichkeit ist an sich eine intellektuelle Konzeptionsweise, die in Verbindung mit dem extramentalen Ding steht. Obwohl sie mit einem extramentalen Ding verbunden ist, ist sie selbst extramental nicht existent. Vielmehr ist sie die Möglichkeit der extramentalen Existenz. Wegen ihrer Verbindung mit jenem Ding verweist diese Möglichkeit auf die extramentale Existenz des Dinges, nämlich des Subjekts.34 Ṭūsī, „Kommentar Zu Avicennas Verweisen = Al-Ṭūsī, Naṣīr al-Dīn. Šarḥ al-Išārāt“, 3.664.4–7.

Obwohl Ṭūsī in diesem Abschnitt von der Möglichkeit redet, meint er hier damit die Potentialität. Darauf verweist der letzte Satz in T8. Ṭūsī möchte immer noch darauf bestehen, dass die Art der Möglichkeit, welche er in diesem Abschnitt bespricht, die extramentale Existenz eines Subjekts, von dem diese Möglichkeit gilt, impliziert. Dies ist das Charakteristikum der Potentialität, die auf die Existenz der zugrundeliegenden Materie zurückweist, und nicht der an-sich-Möglichkeit, die von den abstrakten Essenzen ausgesagt wird. Selbst diese Potentialität-Möglichkeit ist aber ein rein konzeptioneller Ausdruck, der nur im Verstand Bestand hat und keine extramentale Realität hat. Dadurch schafft es Ṭūsī, zwei Ziele gleichzeitig zu erreichen: Er rettet Avicennas Argument für die Vorexistenz der zugrundeliegenden Materie und er vermeidet die Gegenargumente gegen die Realität der Möglichkeit bzw. auch der Potentialität. Sein eigenes Verständnis der Potentialität ändert aber die Logik des Argumentes Avicennas. Wenn ein F entsteht, muss seiner Entstehung eine zugrundliegende Materie nicht deswegen vorausgehen, weil die reelle Potenz für seine Entstehung extramental zu verorten wäre, sondern weil unsere Konzeption, dass F an sich möglich ist, eines extramentalen Subjekts gebraucht. Ṭūsī erklärt leider nicht, wie man das zu verstehen hat. Er besteht nur darauf, dass das Relatum, welches man im Prioritäts-Argument bräuchte, im Verstand sei.35 Ṭūsī, „Kommentar Zu Avicennas Verweisen = Al-Ṭūsī, Naṣīr al-Dīn. Šarḥ al-Išārāt“, 3.665.8–11. Wenn wir also von einem Zugrundeliegenden aussagen, dass es in potentia F und in potentia Y ist, sind beide F und Y sowie beide Potenzen Konzepte in unserem Verstand. Jedoch ist das Subjekt, von dem wir beide Potenzen prädizieren, extramental vorhanden. Somit wird das Unterscheidungsproblem vermieden. Die F-Potenz unterscheidet sich von der Y-Potenz durch die jeweilige Präsenz von F und Y im Verstand. Sie sind nicht in der Welt da, weil weder F noch Y erst entstanden sind, sondern sie sind reine Konzepte. Das Subjekt aber, von dem diese Konzepte ausgesagt werden, ist reell. Dies ist z.B. das Holz, von dem man die konzeptionelle Potentialität prädiziert, ein Tisch zu werden.

Es ist also nicht nur die an-sich-Möglichkeit eines F, sondern auch die Potentialität für F, die keine direkte extramentale Entsprechung hat. Grob gesagt, sind beide Konzepte in unserem Verständnis der Welt. Jedoch unterscheiden sie sich in Bezug auf die Subjekte. Das Subjekt der an-sich-Möglichkeit ist ein anderes Konzept in unserem Verstand. So wird von den Tischen ausgesagt, dass sie an sich möglich sind; d.h. die Essenz der Tische sei instanziierbar. Die Wahrheit dieser Aussage hat mit der tatsächlichen Welt nichts zu tun. Im Gegenteilt wird die Potentialität in Bezug auf ein extramentales Subjekt ausgesagt und benötigt deswegen seine Präsenz. Die dispositionelle Potentialität der Existenz eines Tisches gehört zu den konkreten Subjekten in der Welt, nämlich dem Holz oder dem Metall. Es ist diese Art der Möglichkeit, die sich graduieren lässt sowie andere Merkmale hat, die sie von der bloßen an-sich-Möglichkeit unterscheiden.36 Ṭūsī, „Kommentar Zu Avicennas Verweisen = Al-Ṭūsī, Naṣīr al-Dīn. Šarḥ al-Išārāt“, 3.663.5.

Schlussbemerkungen

Was heißt es, wenn man sagt, dass es Tische geben kann? Die Grundidee hinter Avicennas Argument im Buch der Genesung, die wir gesehen haben, war es, dass die Möglichkeit der Existenz der Tische impliziert, dass es eine zugrundeliegende Materie geben muss, welche eine ausreichende Disposition dafür hat, dass ein Tisch in dieser Materie entsteht. Um dieses Argument richtig zu verstehen, darf man mehrere wichtige Unterscheidungen nicht außer Acht lassen. Die wichtigste davon ist die Unterscheidung zwischen der rein abstrakten Möglichkeit und der dispositionellen Potentialität.

Die rein abstrakte Möglichkeit der Existenz der Tische hat keine existentiellen commitments: Weder von Tischen, noch von jeglichen Materien, in denen die Tische entstehen würden, noch von den Möglichkeiten der Entstehung der Tische. Wenn man sagt, dass ein Tisch an sich möglich sei, meint man, dass das Konzept des Tisches nicht unlogisch ist. Wenn man ein Essentialist ist, dann meint man, dass die Essenz des Tisches als solche eine Instanziierung dieser Essenz erlaubt. Im Gegenteil kann es solche Essenzen wie die Essenz des runden Quadrats nicht geben. Man muss verstehen, dass eine solche Art der Möglichkeit immer noch offen lässt, ob es in dieser Welt tatsächlich Tische geben kann. Extrinsische Ursachen können dazu führen, dass die Essenz des Tisches nie instanziiert werden kann. Der moderne Begriff der möglichen Welten hilft dabei nicht wirklich. Wenn man das Prinzip der Fülle zurückweist, dann kann es trotzdem der Fall sein, dass die Essenz des Tisches in keiner möglichen Welt instanziiert wird, obwohl sie an sich intrinsisch nicht unmöglich ist.

Die Möglichkeit, die Avicenna in seinem Argument beabsichtig, ist hingegen eine extrinsische Möglichkeit. Damit wir behaupten könnten, dass Tische extrinsisch möglich sind, bzw. dass es de re möglich ist, dass es Tische gibt, müssen wir ein Subjekt für diese Möglichkeit postulieren, welches diese Möglichkeit fundieren wird. Man könnte für das Verständnis dieser Art der Möglichkeit eine folgende Art der Quantifizierung über die Möglichkeitssätze anführen: Die Möglichkeit von F würde heißen, dass es ein X gibt, so dass X ein F sein kann. Die Möglichkeit der Existenz der Tische bedeutet, dass es ein X gibt, welches möglicherweise ein Tisch ist. Diese Art der Quantifizierung über die Möglichkeit der Existenz der Tische setzt die Existenz des X voraus – dies ist dem, worauf Avicenna mit seiner Voraussetzung der Existenz des Subjekts hinauswill, ganz ähnlich. Man beachte hierbei den Unterschied zwischen zwei Lesarten des Satzes „Tische sind möglich“:

Es kann ein X geben, so dass X ein Tisch ist (= Die Essenz des Tisches ist an sich instanziierbar)

Es gibt ein X, so dass X ein Tisch sein kann.

Diese zwei Lesarten sind nicht miteinander identisch. Der erste Satz kann auch dann wahr sein, wenn der zweite Satz unwahr ist. Wenn ich Avicennas Argument richtig verstehe, dann will er mit Potentialität für die Existenz des Tisches gerade auf die zweite und nicht die erste Lesart der Möglichkeit hinaus.

Diese Unterscheidung zwischen zwei Lesarten der Möglichkeit reicht aber an sich nicht aus. Man könnte nämlich behaupten, dass der Satz „Die himmlischen Intellekte sind möglich“ auch im Sinne von „Es gibt ein X, so dass X ein himmlischer Intellekt sein kann“ zu verstehen sei. Das würde aber Avicenna nicht wollen. Wie auch immer man die Möglichkeit versteht, von der Avicenna in seinem Argument spricht, darf sie die Sätze nicht erlauben, die die ewigen Entitäten als „möglich“ bezeichnen lassen. Was die himmlischen Intellekte von den Tischen unterscheidet, ist es, dass es kein reelles Subjekt gibt, welches eine ausreichende Disposition (d.h. die Potenz) für die Entstehung der himmlischen Intellekte in sich hat. Was wäre dann genau der Unterschied zwischen dieser Potenz und der Möglichkeit?

Wir haben gesehen, dass man im arabischen Avicennismus zwischen der Möglichkeit und Potentialität anhand mehrerer Merkmale unterscheidet. Dazu gehören die Verursachung und die Graduierung. Wenn es nämlich Tische geben kann, dann gibt es etwas, was die Potenz zur Umwandlung in einen Tisch hat. Wenn man sich die Potentialität vorstellet, denkt man eher an das Konzept der Fähigkeit und demensprechend der notwendigen Bedingung. Wenn das Holz die Fähigkeit hat, ein Tisch zu werden, versteht man intuitiv, dass das Holz alle notwendigen Bedingungen erfüllt, dass es zum Tisch werden kann. Dies ist gerade nicht wie man die Potentialität im arabischen Avicennismus versteht. Eher kommt die Potentialität an den Begriff der hinreichenden Bedingungen näher heran. Wenn das Holz die nächste Potentialität für die Entstehung des Tisches hat, heißt es, dass das Holz dafür hinreichend ausgestattet ist, dass wenn ein Tischler dazu kommt, ein Tisch notwendigerweise entsteht. Ich habe in der 3. Sektion dieses Merkmal anhand der modernen Interpretation der Dispositionen durch konditionale Sätze erklärt: Die Disposition für einen Tisch bedeutet:

Wenn X {…}, dann wird X zu einem Tisch notwendigerweise.

Dieses Merkmal fundiert das weitere, die Graduierung. Die Disposition kennzeichnet die Maße an den hinreichenden Bedingungen. Das Holz ist nämlich dafür eher ausgestattet, dass es zu einem Tisch wird, als das Wasser. Es kommt dem Moment näher dran, wenn ein Tisch notwendigerweise entsteht; denn das Wasser muss zunächst gefrieren (ich meinen einen Tisch aus Eis). Im Gegenteil kann man solche Unterschiede in Bezug auf die Möglichkeit nicht aufstellen. Sowohl das Holz als auch das Wasser können zu einem Tisch werden. Wenn sie das können, dann können sie – weder weniger noch mehr. Wenn man möchte, dann könnte man gerade diese Art der Möglichkeit im Sinne von Fähigkeit und der notwendigen Bedingungen erfassen: Luft kann nämlich nicht zum Tisch werden, weil sie die notwendigen Bedingungen (wenigsten in einem Zustand solid zu sein) nicht erfüllt. Hingegen erfüllen sowohl Holz als auch Wasser diese notwendigen Bedingung und können deswegen zu einem Tisch werden. Wenn meine Interpretation richtig ist, dann erlauben die post-avicennischen Autoren nur eine Graduierung: Inwiefern etwas hinreichend oder nichthinreichend für ein F ausgestattet ist; aber nicht inwiefern etwas die notwendigen Bedingungen erfüllt. Wie ich in der 3. Sektion bereits erwähnt habe, führt man die Graduierung als Unterscheidungsmerkmal zwischen der Möglichkeit und der Potentialität auch in der modernen Philosophie an. Man beachte aber, dass die post-avicennischen Autoren damit etwas anderes gemeint haben. Denn die moderne Unterscheidung stützt sich auf den lokalen Charakter der Potentialität im Unterschied zu dem globalen Charakter der Möglichkeit. Ob ein Glas zerbrechen kann oder nicht kann, hängt von vielen Umständen ab, und nicht unbedingt von der Zerbrechlichkeit des Glases. Die Potentialität bedeutet hingegen, dass das Glas an sich eine gewisse Fähigkeit zum Brechen hat.37 Vgl. Vetter, „From Potentiality to Possibility“. Für den arabischen Avicennismus sieht die Lage anders aus. Denn man versteht selbst die Möglichkeit hier in einem lokalen Sinne. Wir haben gesehen, dass die Möglichkeit immer in Bezug auf die Dinge an sich aufgefasst wird: Ob Tische an sich möglich sind, ob ein Samen an sich zu einem Embryo werden kann usw. Ein globales Verständnis der Möglichkeit haben sie nicht, vielleicht weil es das Konzept der möglichen Welten einfach nicht gibt. Was wäre dann der Unterschied zwischen der lokalen Möglichkeit und der Potentialität? Wenn meine Interpretation richtig ist, liegt er bei der Berücksichtigung unterschiedlicher Bedingungen: ob etwas hinreichend ausgestattet ist, dass es zu F wird (Potentialität), oder ob etwas notwendige Bedingungen erfüllt, dass es zu F werden kann (Möglichkeit). Dabei impliziert die Potentialität im arabischen Avicennismus, dass sie von einem konkreten extramentalen Objekt prädiziert wird (auch wenn sie selbst ein bloßes Konzept ist). Die Möglichkeit hingegen wird von abstrakten Essenzen in unserem Verständnis abgesehen von der tatsächlichen Welt ausgesagt.

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