(1) Frage: Dohrns Strategie im Beitrag ist es, sich ausgehend von alltäglichem Wissen über konkrete Möglichkeiten zu Wissen von abstrakten Möglichkeiten vorzuarbeiten. Das erklärte Ziel ist dabei, eine Kontinuität zwischen den alltäglichen Fällen von modalem Wissen und Fällen von Wissen über abstrakte Möglichkeiten herauszustellen. Allerdings scheint es zwischen den drei zentralen Beispielen Brüche zu geben. Während im ersten Fall das Wissen über Möglichkeit primär durch die qualitative Phänomenologie von Affordanzen erklärbar sein mag, ist das im Tesla-Fall zumindest nicht offensichtlich der Fall. Ebenso scheint eine qualitative Phänomenologie im dritten Fall von Wissen über abstrakte Möglichkeiten durch philosophische Gedankenexperimente vernachlässigbar zu sein. Wie kann man trotz dieser Beobachtungen eine Analogie aufrechterhalten, die Dohrns Ansatz stützt?
(1) Antwort: Das Tesla-Beispiel ist genau dazu gedacht, als Scharnier zwischen unkontroversen Affordanzen und theoretischen Möglichkeiten zu fungieren. Es ist einerseits hochtheoretisch, andererseits bekennt Tesla selber, dass er den arbeitenden Motor ‚sieht‘. Ich denke, dass der Fall plausibel als Affordanz konstruiert werden kann, wenn man Teslas Bericht ernst nimmt. Was metaphysische Möglichkeiten angeht, so sehe ich die beste Erklärung für bestimmte narrative Gedankenexperimente wie Putnams Superspartaner im Unterschied zu abstrakten Argumenten darin, dass sie eine sinnliche Phänomenologie der Möglichkeit evozieren sollen. Ich stütze diese These durch psychologische Ergebnisse zur Rolle von Situationsmodellen. Solche Modelle sind hilfreich im Verstehen von Kategorien wie Schmerz, und sie bedienen sich raumzeitlicher analoger Repräsentationen. Im Falle von Putnam sollten diese Repräsentationen helfen, Möglichkeiten zu erkennen.
(2) Frage:Wie weit trägt die Analogie zu „echten“ Sinnen und Sinneswahrnehmung? Inwiefern würde sich der Möglichkeitssinn signifikant von der Sinneswahrnehmung unterscheiden?
(2) Antwort: Ich habe etwas Stärkeres als eine bloße Analogie im Sinn. Wir können Möglichkeiten tatsächlich wahrnehmen, wie die Diskussion über Affordanzen zeigt. Der Möglichkeitssinn erweitert lediglich den Bereich der Affordanzen über die Standardfälle hinaus. Ein entsprechender Möglichkeitssinn unterscheidet sich von normalen Sinneswahrnehmungen dadurch, dass die Kausalbeziehung zur Realität indirekter sein müsste, und dass die Wahrnehmung auch nicht an die konkrete raumzeitliche Situation gebunden ist.
(3) Frage:Wie genau entgeht Dohrn dem gängigen Einwand gegen Vorstellbarkeitstheorien,derauf die Möglichkeit von a posteriori Notwendigkeitenverweist und auf deren Basisargumentiert, dass Vorstellbarkeit kein zuverlässiger Weg zu wahren Überzeugungen über Möglichkeit ist(s. S.11)?
(3) Antwort: Ich versuche, auf diese Frage schon im Aufsatz zu antworten. Mein Tesla-Beispiel soll zeigen, dass Vorstellung für theoretisches Wissen plastisch ist. Tesla hätte einen Roman schreiben können, in dem der Motor ohne weitere Umschweife als funktionierend vorgestellt worden wäre, aber das hätte zur Klärung der Frage nichts beigetragen, ob der Motor machbar sei. Wenn Tesla sich wirklich durch bloßes Vorstellen davon überzeugte, dass der Motor machbar sei, ohne dass dabei ein Fehler im Spiel war, musste sein empirisches physikalisches Wissen sein Vorstellen einschränken. Unser empirisches Wissen über die Natur von Wasser etc. leistet dasselbe. An die Stelle eines solchen Wissens können auch Annahmen treten: Angenommen, Wasser ist de facto XYZ, können wir es uns als H2O vorstellen? Soll modale Imagination funktionieren, muss die Antwort sein: in manchen Gebrauchsweisen der Imagination schon, in der modalen nicht.
(4) Frage:Wie können wir nach Dohrns Ansatz mit Dissensen darüber umgehen, ob etwas vorstellbar ist oder nicht? Philosoph/innen sind sich z.B. uneinig darüber, ob Zombies vorstellbar sind oder nicht. Gibt uns Dohrns Theorie des Möglichkeitssinns bzw. Der qualitativen Phänomenologie eventuell Kriterien an die Hand, um die Vorstellbarkeitvon Zombies und Ähnlichem zu entscheiden?
(4) Antwort: Dissense sind eine Herausforderung für jede nicht-skeptische modale Erkenntnistheorie. Die entsprechenden Antworten stehen auch mir zur Verfügung. Ich kann sagen, kontroverse Möglichkeiten übersteigen unsere Fähigkeit verlässlichen Imaginierens, oder wir haben noch nicht genug theoretisches Wissen, das unsere Imagination binden könnte, oder wir haben noch nicht genug imaginativ herumexperimentiert. Ich denke nicht, dass mein Vorschlag und insbesondere meine Analyse von Putnams Superspartanern sich auf Zombies übertragen lässt, weil wir uns ja gerade nicht in Zombies hineinversetzen können, wohl aber in Menschen, die radikal jeden Schmerz unterdrücken. Das ist vermutlich auch vorteilhaft für mich, weil ich mich für keine Seite der kontroversen Debatte entscheiden muss. Wer meine Analyse von Kriegels Zombie-Argument lesen möchte, sei auf meinen Aufsatz Modal Epistemology Made Concrete, https://doi.org/10.1007/s11098-018-1135-2, verwiesen.