Toyin Falola (2024). Writing the History of the African Diaspora. Elements in Historical Theory and Practice. Cambridge University Press. ISBN 978-1-009-47568-6, € 58,34, published online on 14 May 2024, online ISBN 978-1-009-44208-4, DOI: 10.1017/9781009442084, digital access for individuals € 19,84

 

Katharina Monz

Institut für Afrikanistik & Ägyptologie, Universität zu Köln

 

Rezension

<1>   In der Reihe Elements in Historical Theory and Practice erschien kürzlich bei Cambridge University Press Toyin Falolas neustes Werk Writing the history of the African diaspora. Hier versucht Falola sich an einem umfassenden Überblick dessen, was der sehr allgemeine Begriff African Diaspora darstellen kann. Dabei begegnet der Autor der Schwierigkeit, dass der Begriff einerseits sehr geläufig, andererseits aber nicht klar umrissen ist, was ihn in seiner Nutzung in wissenschaftlichen Texten recht kompliziert macht. Folgerichtig und der Idee der Reihe gemäß, fragt Falola eingangs nach der Geschichte der Afrikanischen Diaspora, wobei er sich sowohl auf den Begriff und seine Nutzung als auch auf die durch ihn beschriebenen Realitäten bezieht. Im zweiten Kapitel wird die initial vorgestellte Begriffsbenutzung kritisch betrachtet, um im dritten Kapitel das Konzept der Overlapping Diaspora genauer vorzustellen und im vierten Kapitel zu einem ‘Rethinking’, einem Überdenken der Afrikanischen Diaspora aufzurufen. In Kapitel fünf berichtet Falola abschließend von der Entstehung einer neuen Afrikanischen Diaspora, der New Global African Diaspora.

<2>   Das Erscheinen des Werkes bei Cambridge University Press, in der Reihe Elements in Historical Theory and Practice, nimmt vorweg, dass sich der Text an eine wissenschaftliche Leserschaft richtet. Dabei stellt er auch für interessierte Laien eine spannende Lektüre dar, weil er einen Überblick über eine komplizierte Thematik verspricht, welche besonders in den USA von Interesse ist, wo unterschiedlichste Diasporen ihr kulturelles Erbe gezielt pflegen, und, so es eine geschlossene afrikanische Diaspora gibt, diese die größte darstellen dürfte.

<3>   Die Beschäftigung mit der afrikanischen Diaspora in Form einer kritischen Lektüre dessen, was hierzu veröffentlicht wurde, ist lobenswert und dabei außerordentlich schwer umzusetzen. Dies liegt zunächst daran, dass Diasporen im Allgemeinen und die Afrikanische Diaspora im Besonderen nicht nur das Thema diverser wissenschaftlicher, sondern auch vieler journalistischer Arbeiten darstellen und gleichzeitig auch von internationalen Institutionen intensiv untersucht werden,[1] was Falola leider nicht erwähnt. Zudem lädt der Begriff der Afrikanischen Diaspora durch die Allgemeinheit seiner Formulierung – ganz unabhängig von seinem Gebrauchsfeld – dazu ein, in recht schwammigen Kontexten als vermeintlich klar umrissenes Konzept genutzt zu werden. Dabei beschreibt der Singular nur scheinbar eine in sich geschlossene Realität oder auch eine bestimmte Gruppe von Personen. Diese beiden Schwierigkeiten, die sich aus dem Begriff selbst ergeben, benennt Falola bereits zu Beginn, schafft es im Verlauf des Werkes jedoch nicht, den Fallstricken, die hieraus resultieren, zu entgehen. So erkennt Falola den seit den 90er Jahren von Paul Gilroy (1993) kritisierten, undue focus on the American stream of the African Diaspora (20), nur um diesen über die Auswahl der Quellen zu reproduzieren. Dies ist umso enttäuschender, als Falola eingangs die richtige und wichtige Forderung nach einer pluralen Betrachtung (pluralization, 23)[2] gestellt hatte, hier und dort auch damit beginnt, es jedoch nicht schafft, dies über die Länge des Werkes konsequent beizubehalten.

<4>   Stattdessen wartet der Leser lange und zudem weitgehend vergebens auf Beispiele von außerhalb der anglophonen und US-bezogenen Sphäre. Wo bleiben zum Beispiel die Betrachtungen von (franko-, hispano-, luso- oder auch arabophonen) afrikanischen Autoren, wo sind Meldungen von nicht-britischen europäischen oder auch asiatischen Autoren?[3] Auch vermisst der Leser eine detaillierte Beschreibung dessen, was Afrikanische Diaspora auch abseits der Amerikas sein kann, da Falolas Interesse daran leider nicht über ein paar Randbemerkungen zu Europa hinausgeht. In diesem Zusammenhang ergibt sich auch die Frage, warum das Werk mit der Untersuchung des ‘transatlantic slave trade’ (TAST) beginnt. Der Siegeszug des Islam auf dem afrikanischen Kontinent und die damit verbundene Migration auf die arabische Halbinsel inklusive dem frühen Sklavenhandel wäre als thematische Eröffnung des Buches genauso legitim gewesen und hätte eine neue und vielleicht auch historisch stärker einbettende Perspektive auf eine spätere Betrachtung des transatlantischen Sklavenhandels eröffnet.

<5>   Falola spricht eingangs von der Notwendigkeit einer Aufspaltung der häufig bipolaren Sicht auf internationale afrikanische Mobilität. Letztere wird vielfach entweder als eine reine Folge von Sklaverei beschrieben oder dient dazu, die Agentivität der Betroffenen positivistisch überzubetonen, indem aus einer Überlebensstrategie in der Nacherzählung eine verklärende Lebensstrategie gemacht wird. Anstelle solcher verfälschenden Darstellung sollen die facettenreichen Realitäten dessen, was Afrikanische Diaspora ausmacht, im Detail betrachtet und beschrieben werden. Einige dieser bislang weniger rezipierten Perspektiven bringt Falola auch hier und da kurz zur Sprache, jedoch ohne ihnen den – meines Erachtens – notwendigen Raum zu geben. Stattdessen greift er immer wieder die beiden zu Beginn abgetanen Extreme auf, wodurch alles dazwischen – inklusive Alltäglichkeit und Banalität – weitgehend auf der Strecke bleibt. So verpasst er letztendlich den durch die prominente Nutzung von re-thinking formulierten Selbstanspruch, bereits Bekanntes zu überdenken.

<6>   Colin Palmers Defining and Studying the Modern African Diaspora wird ausführlich betrachtet und die dort vorgeschlagene Unterteilung in fünf große Ströme wird weitestgehend übernommen, wobei der Fokus vornehmlich auf dem dort als vierten Block verorteten transatlantischen Sklavenhandel liegt. Mit dessen besonders starken Auswirkungen auf den Westafrikanischen Raum rechtfertigt Falola in seinem Werk einen solchen regionalen Fokus, welcher dann im weiteren Verlauf des Textes jedoch nur bedingt herauszulesen ist. Tatsächlich spricht Falola weiter allgemein von African Diaspora, ohne diese zu differenzieren. Dabei hätte er, Palmers Werk als Basis nehmend, das von ihm hieraus zitierte diasporic movements of Africa’s people is neither singular nor a monolithic diasporic community (17) annehmen und in seinem Text, wenn schon nicht forscherisch, so doch zumindest sprachlich umsetzen müssen. Dies trägt Falola zwar als eine Art Grundsatzkritik an einzelne von ihm angesprochene Autoren heran, fällt dann jedoch selbst verschiedentlich mit Formulierungen und Singularen auf, die pauschalisieren und somit im Kontext einer geforderten pluralen Betrachtungsweise verstörend wirken. So spricht er beispielsweise von African culture, language (29) oder auch mixture of people (50), welche durch Überquerungen des Indischen Ozeans entstanden sei und sagt religion is a major aspect of African culture (52). Neben diesen feineren sprachlichen Unsauberkeiten, irritieren auch größere Formulierungen, wenn Falola verschiedentlich ohne Nachweis und/oder konkretes Beispiel Aussagen trifft, die offensichtlich allgemeine Gültigkeit haben sollen. Dies liest sich je nach Kontext wie historische Verklärung und erinnert an ‘self affirmative storytelling’, was aus aktivistischen Kreisen bekannt sein mag, für einen wissenschaftlichen Text jedoch unpassend ist.

<7>   Neben diesen sprachlichen stolpert das Auge des Lesers auch über inhaltliche Ungenauigkeiten, wie die sehr ungleich verteilte inhaltliche Kritik an thematischen Begrenzungen, welche Falola vor allem gegenüber jenen Autoren übt, welche die selbstgewählte Begrenzung bereits im Titel ihrer Arbeiten vermerken, während er großzügig darüber hinwegliest, dass bei anderen Arbeiten der Titel eine allumfassende Beschäftigung mit dem Thema suggeriert, dann jedoch nur einen engen regionalen und/oder zeitlichen Fokus auf die allgemeine Fragestellung wirft. Diese partielle Kritik, welche nicht immer mit gleichem Maß misst, setzt sich auch an anderer Stelle fort, wenn Falola bekannte Schwächen der jeweils betroffenen Fachrichtungen den einzelnen Autoren zum Vorwurf macht und beispielsweise von einigen explizit soziologischen Beiträgen ethnographische Ansätze verlangt und umgekehrt.

<8>   Writing the History of the African Diaspora stellt weder den historischen Abriss der Entstehung der unterschiedlichen afrikanischen Diasporen noch des wissenschaftlichen Interesses daran umfassend dar. Dies könnte vernachlässigt werden, wenn der Leser die fünf Kapitel als in sich geschlossene Betrachtungen der durch die jeweiligen Titel indirekt formulierten Fragestellungen empfindet. Dass Werke und Autoren teilweise mehrfach eingeführt werden, stört diese Annahme jedoch nachhaltig. Zusammen mit inhaltlichen Wiederholungen wirft dies bei mehrfacher Lektüre die Frage auf, ob es sich bei den fünf Kapiteln nicht letztendlich um ein reines Aneinanderreihen ehemalig separater Artikel zu einem Buch handelt. Vor dem Hintergrund, dass das Werk nicht das Ergebnis wissenschaftlicher Forschung des Autors ist, sondern er die Forschungsarbeiten Anderer zusammenträgt und kommentiert, hätte eine Überarbeitung gelohnt, die diese Fehler ausbügelt.

<9>   Abschließend kann gesagt werden, dass die Themengebung ansprechend ist, der Autor seinen eigenen Ansprüchen jedoch nur bedingt gerecht wird. So verspricht der Titel Writing the History of the African Diaspora eine zusammenfassende Übersicht, welche aber durch den starken Fokus auf anglo-amerikanische Literatur und auf den transatlantischen Sklavenhandel und aufgrund der eingeschränkten Quellen einseitig ausfällt. Abschließend “more study, education, and activism” zu fordern und zu sagen, dies führe dazu “to properly comprehend the intricacies and repercussions of the African Diaspora’s changing dynamics” erscheint auf Basis dieses Werkes, das weitestgehend auf bereits ausgetretenen Pfaden wandelt, umso mehr eine berechtigte Forderung an den Leser zu sein.

 

Weiterführende Literatur zu African Diasporas

Anshan, Li (2015). African Diaspora in China: Reality, Research and Reflection. The Journal of Pan African Studies 7, 10: 10-43,       https://www.jpanafrican.org/docs/vol7no10/Bodomo-3-Anshan.pdf (25.11.2024)

Arthur, John (2008). The African Diaspora in the United States and Europe: the Ghanaian experience. London: Routledge

Blakely, Alisson (1986). Russia and the Negro. Blacks in Russian History and Thought. Washington, DC: Howard University Press

Carter, Donald Martin (2010). Navigating the African Diaspora: The Anthropology of Invisibility. Minneapolis: University of Minnesota Press

Conyers, James L. Jr. (2009). Racial Structure and Radical Politics in the African Diaspora. London: Transaction

Curry, Dawne Y., Eric Duke and Marshanda Smith (2009). Extending the Diaspora: New Histories of Black People. Champaign: University of Illinois Press

Davies, Carole Elizabeth Boyce (2008). Encyclopedia of the African Diaspora: Origins, Experiences and Culture, Volume 1. Santa Barbara: ABC-CLIO

Gilroy, Paul (1993). The Black Atlantic: Modernity and Double Consciousness. Cambridge, MA: Harvard University Press

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Hine Clark, Darlene, Trica Danielle Keaton and Stephen Small (2009). Black Europe and the African Diaspora. Champaign: University of Illinois Press

Institute for Cultural Diplomacy (s.d.). The African Diaspora in Europe. Historical Overview, https://www.culturaldiplomacy.org/index.php?en_programs_diaspora_eu (25.11.2024)

Karmwar, Manish (2010). African Diaspora in India. Diaspora Studies. 3, 1: 69–91, doi:10.1080/09739572.2010.10597342 (25.11.2024)

Okpewho, Isidore and Nkiru Nzegwu (2009). The New African Diaspora. Bloomington: Indiana University Press

Olaniyan, Tejumola and James H Sweet (2010). The African Diaspora and the Disciplines. Bloomington: Indiana University Press

Olliz-Boyd, Antonio (2010). The Latin American Identity and the African Diaspora: Ethnogenesis in Context. Amherst: Cambria Press

Mazon, Patricia (2005). Not So Plain as Black and White: Afro-German Culture and History, 1890–2000. Rochester: University of Rochester Press

Mehta Bhatt, Purnima (2017). The African Diaspora in India. Assimilation, Change and Cultural Survivals. London: Routledge

Mirzai, Behnaz A. (2014). Identity Transformations of African Communities in Iran. In: Potter, Lawrence (ed.) The Persian Gulf in Modern Times. New York: Palgrave Macmillan

Pitts, Johny (2020). Afropean: Notes from Black Europe. London: Penguin Books.

Rastas, Anna and Kaarina Nikunen (2019). Introduction: Contemporary African and Black Diasporic Spaces in Europe. Open Cultural Studies 3: 207-218,          https://doi.org/10.1515/culture-2019-0019 (25.11.2024)

Nepomnyashchy, Catharine Theimer, Nicole Svobodny and Ludmilla Trigos (2006). Under the Sky of My Africa: Alexander Pushkin and Blackness. (Studies In Russian Leterature And Theory).  Evanston: Northwestern University Press

Molesi, Willie (2024). Africans and Indians: The Gulf Between. Independently published (ISBN 979-8338818190)

Vorrath, Judith (2012). Engaging African diasporas for peace: cornerstones for an emerging EU agenda. Occasional paper published by The EU Institute for Security Studies (EUISS) https://www.iss.europa.eu/sites/default/files/EUISSFiles/OP%20Engaging_African_Diasporas_ONLINE.pdf (25.11.2024)

Wisdom, Tettey; Puplampu, Korbla (2005). The African Diaspora in Canada: negotiating identity & belonging. Calgary: University of Calgary Press

 



[1]      Einige Beispiele finden sich im Literaturverzeichnis.

[2]      Falola nutzt den Begriff der pluralization, um vom Auffächern der existenten binären Betrachtungsweise hin zur Akzeptanz vielfältiger Perspektiven zu sprechen.

[3]      Einige englischsprachige Beispiele finden sich im Literaturverzeichnis.